Beitrag teilen
HOME
/
blog
/
ISO 9001: So schaffen Sie mit internen Audits echten Mehrwert

ISO 9001: So schaffen Sie mit internen Audits echten Mehrwert

Niklas Hanitsch

Volljurist und Compliance-Experte

October 30, 2025

5 Minuten

Als Jurist mit langjähriger Erfahrung als Anwalt für Datenschutz und IT-Recht kennt Niklas die Antwort auf so gut wie jede Frage im Bereich der digitalen Compliance. Er war in der Vergangenheit unter anderem für Taylor Wessing und Amazon tätig. Als Gründer und Geschäftsführer von SECJUR, lässt Niklas sein Wissen vor allem in die Produktentwicklung unserer Compliance-Automatisierungsplattform einfließen.

Key Takeaways

Ein internes Audit ist kein Kontrollinstrument, sondern ein strategisches Werkzeug zur Prozessoptimierung und Qualitätssteigerung.

Auditieren Sie mit Fokus auf risikoreiche oder veränderte Bereiche statt nach festen Zeitplänen.

Ein wirksames Audit lebt von offener Kommunikation. Auditoren und Teams arbeiten partnerschaftlich, nicht gegeneinander.

Audits entfalten ihren Wert erst durch umgesetzte Verbesserungen.

Fühlt sich das interne Audit in Ihrem Unternehmen oft wie eine lästige Pflichtübung an? Eine bürokratische Hürde, die man nehmen muss, bevor der externe Zertifizierer kommt? Wenn ja, sind Sie nicht allein. Viele Unternehmen sehen interne Audits als reinen Kontrollmechanismus und verpassen dadurch ihre größte Chance: das Audit als strategisches Werkzeug zu nutzen, das Prozesse optimiert, Kosten senkt und die Qualität spürbar verbessert.

Die Wahrheit ist: Die meisten internen Audits scheitern nicht an den Details der Norm, sondern an der falschen Herangehensweise. Sie werden als Prüfung empfunden, nicht als partnerschaftlicher Dialog zur Verbesserung. Dieser Leitfaden bricht mit diesem Missverständnis. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihr internes Audit nach ISO 9001 von einer reinen Pflicht zu einem wertvollen Motor für die kontinuierliche Verbesserung Ihres Qualitätsmanagementsystems (QMS) machen.

Das interne Audit nach ISO 9001 entmystifiziert: Mehr als nur Fehlersuche

Ein internes Audit ist im Kern eine systematische und unabhängige Untersuchung, um festzustellen, ob Ihre QMS-Aktivitäten den geplanten Vorgaben entsprechen. Doch der wahre Zweck geht weit darüber hinaus. Es ist kein Examen, bei dem es ums Bestehen oder Durchfallen geht. Es ist ein Gesundheitscheck für Ihre Prozesse.

Die Hauptziele eines internen Audits sind:

  • Konformität prüfen: Sicherstellen, dass Ihre Prozesse den Anforderungen der ISO 9001 sowie Ihren eigenen internen Vorgaben entsprechen.
  • Wirksamkeit bewerten: Herausfinden, ob Ihr QMS die beabsichtigten Ergebnisse erzielt und tatsächlich zur Qualitätsverbesserung beiträgt.
  • Verbesserungspotenziale aufdecken: Proaktiv Schwachstellen, Risiken und Chancen identifizieren, die im Tagesgeschäft oft unentdeckt bleiben.

Stellen Sie sich das interne Audit als Kompass für Ihr Qualitätsmanagement vor. Es zeigt Ihnen nicht nur, wo Sie vom Kurs abgekommen sind, sondern auch, wo neue, effizientere Routen zum Ziel führen. Es ist das wichtigste Instrument, um den PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) am Laufen zu halten und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung zu etablieren.

Der 5-Phasen-Audit-Prozess in der Praxis

Ein erfolgreiches Audit ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer strukturierten Planung und Durchführung. Der Prozess lässt sich in fünf klare Phasen unterteilen, die sicherstellen, dass keine wichtigen Aspekte übersehen werden.

Phase 1: Die Auditprogrammplanung

Hier legen Sie den strategischen Rahmen für alle Audits über einen bestimmten Zeitraum (z. B. ein Jahr) fest. Die entscheidende Frage ist: Was, wann und wie oft wird auditiert?

  • Risikobasierter Ansatz: Auditieren Sie nicht alles mit der gleichen Intensität. Konzentrieren Sie sich auf Prozesse mit hohem Risiko, solche, die sich häufig ändern, oder Bereiche, in denen in der Vergangenheit Probleme aufgetreten sind. Ein unkritischer, stabiler Prozess muss nicht jedes Jahr bis ins letzte Detail geprüft werden.
  • Audit-Jahresplan: Erstellen Sie einen Plan, der alle relevanten Bereiche und Prozesse abdeckt. Berücksichtigen Sie dabei auch spezifische Anforderungen wie bei einem TISAX® Assessment, falls für Ihre Branche relevant.

Phase 2: Die Auditvorbereitung

Eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete. Der Auditor macht sich mit dem zu prüfenden Bereich vertraut.

  • Dokumentenprüfung: Analyse von Prozessbeschreibungen, Arbeitsanweisungen, Kennzahlen und Ergebnissen früherer Audits.
  • Checkliste/Fragenkatalog erstellen: Entwickeln Sie einen Leitfaden für das Audit. Eine gute Checkliste stellt offene Fragen (W-Fragen: Wer, Was, Wie, Warum?), um einen Dialog zu fördern, anstatt nur Ja/Nein-Antworten abzufragen.

Phase 3: Die Auditdurchführung

Dies ist die eigentliche "Feldarbeit". Der Auditor spricht mit den Mitarbeitern, beobachtet Prozesse und prüft Dokumente und Aufzeichnungen.

  • Atmosphäre schaffen: Ein internes Audit ist ein Dialog auf Augenhöhe, keine Befragung. Der Auditor sollte eine offene und konstruktive Atmosphäre schaffen.
  • Stichproben sammeln: Es ist unmöglich, alles zu prüfen. Der Auditor wählt repräsentative Stichproben (z. B. 5 letzte Bestellungen, 3 aktuelle Projekte), um die Prozesskonformität zu bewerten.
  • Feststellungen dokumentieren: Positive Aspekte (Best Practices) und negative Abweichungen (Nicht-Konformitäten) werden mit konkreten Nachweisen dokumentiert.

Phase 4: Die Berichterstattung

Der Auditbericht fasst die Ergebnisse klar und verständlich zusammen. Er ist die Grundlage für die nachfolgenden Verbesserungsmaßnahmen.

  • Inhalt: Der Bericht sollte eine Zusammenfassung, die auditierten Bereiche, die Teilnehmer, die positiven Feststellungen und die identifizierten Abweichungen enthalten.
  • Fokus auf Fakten: Vermeiden Sie Schuldzuweisungen. Beschreiben Sie objektiv, was festgestellt wurde, und verweisen Sie auf die entsprechende Anforderung (Norm oder internes Dokument).

Phase 5: Die Maßnahmenverfolgung (Follow-up)

Das Audit ist erst dann abgeschlossen, wenn wirksame Maßnahmen umgesetzt wurden.

  • Ursachenanalyse: Der auditierte Bereich ist dafür verantwortlich, die wahre Ursache der Abweichung zu finden (z. B. mit der 5-Why-Methode).
  • Maßnahmen definieren: Basierend auf der Ursache werden Korrekturmaßnahmen festgelegt, um den Fehler zu beheben und sein Wiederauftreten zu verhindern.
  • Wirksamkeitsprüfung: Der Auditor prüft nach einer angemessenen Zeit, ob die umgesetzten Maßnahmen das Problem nachhaltig gelöst haben.

Die 7 häufigsten Fehler und Mythen – und wie Sie sie vermeiden

Jahrelange Praxis zeigt, dass bestimmte Fehler und Missverständnisse immer wieder auftreten und den Wert von internen Audits untergraben. Indem Sie diese kennen und vermeiden, heben Sie Ihr QMS auf die nächste Stufe.


1. Mythos: Ein internes Audit ist eine Kopie des externen Zertifizierungsaudits.

  • Realität: Ein externes Audit prüft primär die Normkonformität. Ein internes Audit hat das Hauptziel, die Prozessleistung und Wirksamkeit zu verbessern. Es kann und sollte flexibler, tiefer und dialogorientierter sein. Nutzen Sie die Chance, auch Effizienz- und Effektivitätsfragen zu stellen, die ein externer Auditor nicht stellen würde.

2. Fehler: Der Auditor agiert als Polizist oder Berater.

  • Realität: Ein Auditor ist weder Ankläger noch Problemlöser. Seine Aufgabe ist es, objektive Nachweise zu sammeln und Abweichungen festzustellen. Die Verantwortung für die Ursachenanalyse und die Maßnahmenentwicklung liegt immer beim auditierten Bereich.

3. Mythos: Jedes Normkapitel muss jedes Jahr auditiert werden.

  • Realität: Dies ist eines der teuersten Missverständnisse. Die ISO 9001 fordert ein Auditprogramm, das die Bedeutung der Prozesse und die Ergebnisse früherer Audits berücksichtigt. Ein risikobasierter Ansatz ist hier der Schlüssel. Wichtige, fehleranfällige Prozesse auditieren Sie häufiger, stabile und unkritische Prozesse seltener.

4. Fehler: Oberflächliche Ursachenanalyse.

  • Realität: Eine Maßnahme wie "Mitarbeiter wurde nachgeschult" ist oft nur ein Pflaster auf einer tiefen Wunde. Wenn nicht die wahre Ursache (z. B. unklare Arbeitsanweisung, fehlerhaftes Werkzeug) gefunden wird, tritt das Problem garantiert wieder auf. Fordern Sie eine systematische Ursachenanalyse (z. B. 5-Why, Ishikawa).

5. Fehler: Audit-Checklisten werden stur abgearbeitet.

  • Realität: Eine Checkliste ist ein Hilfsmittel, kein Drehbuch. Ein guter Auditor nutzt sie als Leitfaden, bleibt aber flexibel, um auf interessante Spuren zu stoßen und tiefer zu graben, wenn es nötig ist. Der Audit-Pfad ("Audit Trail") sollte sich an den Prozessen orientieren, nicht an der Reihenfolge der Normkapitel.

6. Fehler: Das Audit konzentriert sich nur auf Dokumente.

  • Realität: Ein QMS lebt nicht auf dem Papier, sondern in der täglichen Arbeit der Mitarbeiter. Beobachten Sie die Prozesse live, sprechen Sie mit den Menschen, die sie ausführen. Die gelebte Praxis ist oft aufschlussreicher als jede Prozessbeschreibung. Dies gilt für ein ISMS Audit genauso wie für ein QMS-Audit.

7. Mythos: Nur externe Schulungen qualifizieren einen internen Auditor.

  • Realität: Die ISO 9001 fordert Kompetenz, schreibt aber keinen bestimmten Weg dorthin vor. Ein Auditor muss die Norm, die Audittechniken und die internen Prozesse verstehen. Diese Kompetenz kann durch eine Mischung aus externen Schulungen, internem Training und Praxiserfahrung ("Training on the Job") aufgebaut werden. Wichtig ist die nachweisbare Qualifikation.

Vom Audit-Bericht zur messbaren Verbesserung

Ein Audit-Bericht voller Feststellungen ist wertlos, wenn er in der Schublade verschwindet. Der wahre Wert entsteht erst durch die Umsetzung wirksamer Maßnahmen und die Messung ihres Erfolgs.

  • Verbinden Sie Maßnahmen mit Zielen: Jede Korrekturmaßnahme sollte darauf abzielen, eine Kennzahl (KPI) zu verbessern. Beispiel: Die Abweichung "falsches Material verwendet" führt zur Maßnahme "Einführung eines Barcode-Scanners bei der Materialentnahme". Der Erfolg wird gemessen an der Reduzierung der Kennzahl "Anzahl der Produktionsfehler wegen falschen Materials".
  • Machen Sie Fortschritt sichtbar: Nutzen Sie ein zentrales Maßnahmen-Tracking, um Verantwortlichkeiten, Fristen und den Status der Umsetzung transparent zu machen. Moderne Compliance-Plattformen und ein ISMS Tool können hier wertvolle Unterstützung leisten.
  • Feiern Sie Erfolge: Wenn ein Audit zur nachweislichen Verbesserung eines Prozesses geführt hat, kommunizieren Sie das im Unternehmen. Das stärkt die Akzeptanz für zukünftige Audits und fördert eine positive Qualitätskultur.

Fazit: Machen Sie Ihr internes Audit zur Stärke

Ein internes Audit nach ISO 9001 ist weit mehr als eine formale Anforderung. Es ist eine strategische Chance, die Effizienz zu steigern, Risiken zu minimieren und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung zu schaffen. Indem Sie verbreitete Mythen entlarven, einen risikobasierten Ansatz verfolgen und sich auf die Wirksamkeit von Maßnahmen konzentrieren, verwandeln Sie eine oft ungeliebte Pflicht in eines der mächtigsten Werkzeuge zur Steigerung Ihres Unternehmenserfolgs. Beginnen Sie noch heute damit, das volle Potenzial Ihrer internen Audits zu entfesseln.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist der Zweck eines internen Audits nach ISO 9001?

Der Hauptzweck ist die Überprüfung der Konformität und Wirksamkeit des eigenen Qualitätsmanagementsystems. Es dient dazu, Schwachstellen und Verbesserungspotenziale zu identifizieren, um die Prozesse kontinuierlich zu optimieren und sich auf die externe Zertifizierung vorzubereiten.

Wer darf ein internes Audit durchführen?

Ein interner Auditor muss unabhängig und unparteiisch sein, d. h. er darf nicht seinen eigenen Arbeitsbereich auditieren. Er muss über die notwendige Kompetenz verfügen, was Kenntnisse der ISO 9001, der Audittechniken und der internen Prozesse umfasst. Diese Qualifikation kann intern oder extern erworben werden.

Wie oft müssen interne Audits stattfinden?

Die ISO 9001 gibt keine festen Intervalle vor. Stattdessen fordert sie, dass Audits "in geplanten Abständen" durchgeführt werden. Die Häufigkeit sollte sich am Status und an der Bedeutung der Prozesse orientieren (risikobasierter Ansatz). Kritische Prozesse sollten häufiger auditiert werden als unkritische, stabile Prozesse.

Was ist der Unterschied zwischen einer Abweichung und einer Anmerkung/einem Verbesserungspotenzial?

Eine Abweichung (oder Nicht-Konformität) ist die Nichterfüllung einer festgelegten Anforderung (aus der Norm, einem Gesetz oder einem internen Dokument). Sie erfordert eine Korrekturmaßnahme. Eine Anmerkung oder ein Verbesserungspotenzial ist eine Beobachtung, bei der zwar keine Anforderung verletzt wurde, aber eine Chance zur Optimierung besteht.

Ist die ISO 9001 auch für kleine Unternehmen relevant?

Ja, absolut. Die Prinzipien des Qualitätsmanagements sind universell und skalierbar. Ein gut implementiertes QMS hilft gerade kleinen und mittleren Unternehmen, ihre Prozesse zu stabilisieren, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Erfahren Sie mehr über die Vorteile von ISO 9001 für kleine Unternehmen.

Niklas Hanitsch

Als Jurist mit langjähriger Erfahrung als Anwalt für Datenschutz und IT-Recht kennt Niklas die Antwort auf so gut wie jede Frage im Bereich der digitalen Compliance. Er war in der Vergangenheit unter anderem für Taylor Wessing und Amazon tätig. Als Gründer und Geschäftsführer von SECJUR, lässt Niklas sein Wissen vor allem in die Produktentwicklung unserer Compliance-Automatisierungsplattform einfließen.

Über SECJUR

SECJUR steht für eine Welt, in der Unternehmen immer compliant sind, aber nie an Compliance denken müssen. Mit dem Digital Compliance Office automatisieren Unternehmen aufwändige Arbeitsschritte und erlangen Compliance-Standards wie DSGVO, ISO 27001 oder TISAX® bis zu 50% schneller.

Compliance, completed

Automatisieren Sie Ihre Compliance Prozesse mit dem Digital Compliance Office

Mehr erfahren

Frequently asked questions

Everything you need to know about the product and billing.

Weiterlesen

June 2, 2023
10 min
Arbeitnehmerdatenschutz: Grundlagen, Rechte und heikle Verarbeitungen

Werden personenbezogene Daten eines Arbeitnehmers als betroffener Person (vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO) von dem Arbeitgeber als Verantwortlichem (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) verarbeitet, befinden wir uns in einem sehr spezifischen rechtlichen Verhältnis. In dieser Konstellation gilt der sogenannte Arbeitnehmerdatenschutz.

Lesen
August 29, 2025
5 min
Integration von NIS2 in bestehende IT-Sicherheitsarchitekturen

Viele Unternehmen investieren in Sicherheitstools – doch NIS2 macht klar: Einzelne Lösungen reichen nicht. Der Schlüssel liegt in der Integration. In diesem Leitfaden erfahren Sie, wie SIEM, IAM und Automatisierung zusammenspielen, um NIS2-Compliance effizient zu erreichen und Ihre Sicherheitsarchitektur nachhaltig zu stärken.

Lesen
June 5, 2023
4 min
Cookie-Einwilligung: Wie holt man sie rechtskonform ein?

Seit dem Inkrafttreten der DSGVO im Mai 2018 ist es für den Benutzer im Web zum Alltag geworden: Beim Öffnen einer neuen Website wird man aufgefordert, seine Einwilligung zum Sammeln von Daten zu geben, sogenannte Cookies. Laut den ersten Informationen einer Studie der Ruhr-Uni Bochum sind diese Einwilligungen in den meisten Fällen nicht rechtskonform.‍ Wie soll man Cookie-Banner also gestalten? Unsere Experten verraten es.

Lesen
TO TOP