Sie wissen bereits, was ein Integriertes Managementsystem (IMS) ist. Sie haben die allgemeinen Vorteile wie Effizienzsteigerung und Kostensenkung verstanden. Doch jetzt stehen Sie vor der entscheidenden Frage: Wie setzen Sie ein IMS in der Praxis um, das nicht nur Standards erfüllt, sondern Ihr Unternehmen widerstandsfähiger, sicherer und zukunftsfähig macht?
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Genau hier setzen wir an. Dieser Leitfaden geht über die theoretischen Grundlagen hinaus und bietet Ihnen eine praxisorientierte Roadmap. Wir konzentrieren uns auf die strategisch stärkste Kombination für moderne Unternehmen: die Integration von Qualitätsmanagement nach ISO 9001 und Informationssicherheit nach ISO 27001. Sie erfahren, wie diese Synergie nicht nur Ihre internen Prozesse optimiert, sondern auch als entscheidender Beschleuniger für die Erfüllung neuer gesetzlicher Vorgaben wie der NIS2-Richtlinie dient.
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Denn in einer Zeit, in der Qualität und Sicherheit untrennbar sind, ist ein isolierter Ansatz keine Option mehr. Eine aktuelle Studie in der DACH-Region zeigt, dass bereits 63 % der Unternehmen auf ein IMS setzen – ein klarer Beleg dafür, dass die Integration von Managementsystemen zum strategischen Standard geworden ist.
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Das strategische Duo: Warum ISO 9001 und ISO 27001 kombinieren?
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Die Entscheidung, Qualitätsmanagement und Informationssicherheit zu vereinen, ist mehr als eine reine Effizienzmaßnahme. Es ist eine strategische Weichenstellung, die auf einer einfachen Wahrheit beruht: Stabile, qualitativ hochwertige Prozesse sind das Fundament für wirksame Informationssicherheit.
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ISO 9001 schafft die strukturelle Basis. Die Norm fordert einen prozessorientierten Ansatz, klare Verantwortlichkeiten und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung (KVP). Sie stellen sicher, dass Ihre Organisation zuverlässig und nachvollziehbar arbeitet. Auf diesem soliden Fundament lässt sich ein Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) nach ISO 27001 perfekt aufbauen. Anstatt Sicherheit als separates Silo zu betrachten, wird sie zu einem integralen Bestandteil Ihrer etablierten Qualitätsprozesse.
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Die Vorteile dieser Synergie sind konkret:
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- Geringerer Dokumentationsaufwand: Gemeinsame Prozesse fĂĽr Dokumentenlenkung, interne Audits oder Managementbewertungen mĂĽssen nur einmal definiert werden.
- Höhere Akzeptanz: Mitarbeiter müssen nicht zwischen zwei getrennten Systemen wechseln. Sicherheit wird zu einem natürlichen Teil ihrer täglichen, qualitätsgesicherten Arbeit.
- Ganzheitliches Risikomanagement: Sie betrachten Risiken nicht mehr isoliert (z. B. nur Produktionsfehler oder nur Cyber-Bedrohungen), sondern in ihren Wechselwirkungen. Ein Produktionsausfall kann auch ein IT-Sicherheitsrisiko sein und umgekehrt.
- Effizientere Audits: Interne und externe Audits können kombiniert werden, was Zeit und Kosten spart.
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Durch die VerknĂĽpfung der ISO 9001 Kapitel mit den Sicherheitskontrollen der ISO 27001 schaffen Sie ein robustes System, das sowohl Kundenanforderungen als auch regulatorische Sicherheitsvorgaben erfĂĽllt.
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Die Ăśberschneidungen entschlĂĽsseln: Ein kapitelweiser Vergleich
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Der Schlüssel zur erfolgreichen Integration liegt im Verständnis der Gemeinsamkeiten. Beide Normen basieren auf der sogenannten High-Level Structure (HLS). Dieser einheitliche Aufbau für Managementsystemnormen ist der größte Hebel für die Integration, da die Kapitelstruktur und die Kernanforderungen identisch sind.
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Die Kernarbeit besteht darin, die spezifischen Anforderungen beider Welten – kundenorientierte Qualität und schutzorientierte Sicherheit – in gemeinsamen Prozessen abzubilden. Statt zwei separater Handbücher entwickeln Sie eine integrierte Dokumentation, die alle ISO 27001 Anforderungen und Qualitätsziele berücksichtigt.
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Die IMS-Implementierungs-Roadmap: Ein 7-Schritte-Aktionsplan
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Ein theoretisches Verständnis der Synergien reicht nicht aus. Sie benötigen einen klaren, umsetzbaren Plan. Vergessen Sie den abstrakten PDCA-Zyklus – hier ist eine praxiserprobte Roadmap in sieben Schritten, die Sie durch den gesamten Prozess führt.
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Schritt 1: Management-Buy-in sichern
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Präsentieren Sie einen klaren Business Case. Zeigen Sie nicht nur Kosteneinsparungen auf, sondern betonen Sie die strategischen Vorteile: Risikominimierung, Erfüllung von Kundenanforderungen und Vorbereitung auf zukünftige Regulierungen wie NIS2.
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Schritt 2: Ein funktionsĂĽbergreifendes IMS-Team bilden
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Bringen Sie die Verantwortlichen für Qualität (QMB) und Informationssicherheit (ISB) an einen Tisch. Ergänzen Sie das Team durch Vertreter aus der IT, der Produktion oder anderen relevanten Abteilungen.
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Schritt 3: Gemeinsame Gap-Analyse durchfĂĽhren
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Analysieren Sie Ihre bestehenden Prozesse gleichzeitig gegen die Anforderungen von ISO 9001 und ISO 27001. Wo gibt es bereits Ăśberschneidungen? Wo bestehen LĂĽcken in beiden Standards?
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Schritt 4: Integrierte Dokumentation entwickeln
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Erstellen Sie eine zentrale, schlanke Dokumentation. Anstatt eines QM-Handbuchs und eines ISMS-Handbuchs entwickeln Sie ein IMS-Handbuch. Definieren Sie integrierte Prozesse fĂĽr Risikobewertung, Auditierung, Dokumentenlenkung und Management-Review.
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Schritt 5: Implementieren und schulen
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Rollen Sie die neuen, integrierten Prozesse im Unternehmen aus. Schulen Sie Ihre Mitarbeiter nicht in "Qualität" oder "Sicherheit", sondern in "sicheren Qualitätsprozessen". Dies fördert das ganzheitliche Verständnis.
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Schritt 6: Integriertes internes Audit durchfĂĽhren
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Planen und führen Sie ein gemeinsames internes Audit durch, das sowohl Qualitäts- als auch Sicherheitsaspekte prüft. Dies spart Zeit und liefert ein umfassenderes Bild der Prozess-Performance.
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Schritt 7: Kombinierte Zertifizierung vorbereiten
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Sprechen Sie frühzeitig mit Ihrer Zertifizierungsstelle über die Möglichkeit einer kombinierten Zertifizierung. Viele Auditoren sind darauf spezialisiert und können den Prozess effizient gestalten. Eine erfolgreiche ISO 27001 implementation in Kombination mit ISO 9001 ist ein starkes Signal an den Markt.
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Ihr IMS als Beschleuniger fĂĽr die NIS2-Compliance
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Die NIS2-Richtlinie verschärft die Cybersicherheitsanforderungen für tausende Unternehmen in der EU. Sie fordert unter anderem ein umfassendes Risikomanagement, Maßnahmen zur Bewältigung von Sicherheitsvorfällen und die Sicherung der Lieferkette. Anstatt bei null anzufangen, können Sie Ihr integriertes Managementsystem als Fundament für die NIS2-Compliance nutzen.
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Ein IMS nach ISO 9001 und ISO 27001 deckt bereits viele zentrale NIS2 requirements ab:
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- Risikomanagement (Art. 21 NIS2): Der risikobasierte Ansatz ist Kernbestandteil beider ISO-Normen. Ihre bestehenden Prozesse zur Risikoanalyse und -behandlung können direkt für NIS2 genutzt werden.
- Sicherheit der Lieferkette (Art. 21 NIS2): Die ISO 9001 fordert die Steuerung extern bereitgestellter Prozesse, Produkte und Dienstleistungen. Kombiniert mit den Sicherheitsanforderungen der ISO 27001 an Lieferantenbeziehungen, haben Sie bereits eine solide Basis fĂĽr das von NIS2 geforderte Supply-Chain-Management.
- Business Continuity (Anhang A, ISO 27001): Die Planung für die Aufrechterhaltung des Betriebs im Störfall ist ein wesentlicher Teil eines ISMS und eine Kernforderung von NIS2.
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Ihr IMS ist damit nicht nur ein internes Optimierungswerkzeug, sondern ein strategischer Vermögenswert, der die Einhaltung komplexer gesetzlicher Vorgaben nachweisbar und systematisch sicherstellt.
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Häufige Fallstricke und wie Sie sie vermeiden
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Die Implementierung eines IMS ist ein strategisches Projekt, das wie jedes andere auch seine Herausforderungen hat. Indem Sie diese potenziellen Hürden von Anfang an kennen, können Sie sie proaktiv umgehen und den Erfolg Ihres Projekts sichern.
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- Silo-Denken überwinden: Die größte Hürde ist oft nicht technischer, sondern kultureller Natur. Qualitäts- und Sicherheitsteams arbeiten traditionell getrennt.
‍Lösung: Etablieren Sie von Beginn an ein gemeinsames Projektteam mit klaren, übergreifenden Zielen. Fördern Sie den Austausch und betonen Sie die gemeinsamen Vorteile.
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- Überdokumentation vermeiden: Aus Angst, etwas zu übersehen, neigen Unternehmen dazu, zu komplexe und aufgeblähte Dokumentationen zu erstellen.
Lösung: Konzentrieren Sie sich auf schlanke, integrierte Prozesse. Nutzen Sie digitale Tools und Plattformen, um Redundanzen zu vermeiden und die Dokumentation stets aktuell und zugänglich zu halten.
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- Fehlende Ressourcen: Ein IMS-Projekt neben dem Tagesgeschäft zu stemmen, kann Teams an ihre Grenzen bringen.
Lösung: Planen Sie realistische Zeit- und Personalressourcen. Evaluieren Sie den Einsatz externer Berater oder spezialisierter Compliance-Plattformen, um interne Teams zu entlasten und Expertise gezielt einzusetzen. Unternehmen wie Consolinno Energy zeigen, wie durch die Kombination von Standards Effizienzgewinne realisiert werden können.
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- Unklare Verantwortlichkeiten: Wenn nicht klar definiert ist, wer fĂĽr die integrierten Prozesse verantwortlich ist, fallen Aufgaben schnell zwischen die StĂĽhle.
Lösung: Definieren Sie einen zentralen IMS-Verantwortlichen oder ein IMS-Board, das die Gesamtverantwortung trägt und die Koordination zwischen den Fachbereichen sicherstellt.
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Ihr Weg in eine effiziente und sichere Zukunft
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Die Integration von ISO 9001 und ISO 27001 ist kein reines Compliance-Thema mehr. Es ist eine strategische Entscheidung für ein widerstandsfähiges Unternehmen, das Qualität und Sicherheit als zwei Seiten derselben Medaille begreift. Sie schaffen damit nicht nur interne Effizienzen, sondern bauen ein robustes Fundament, um aktuellen und zukünftigen regulatorischen Anforderungen wie NIS2 souverän zu begegnen.
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Mit der hier vorgestellten 7-Schritte-Roadmap haben Sie einen klaren Weg vor sich. Beginnen Sie damit, die Synergien in Ihrem Unternehmen zu identifizieren und einen Business Case für das Management zu formulieren. Der Wandel hin zu einem integrierten System ist eine Investition, die sich durch höhere Effizienz, gesteigerte Sicherheit und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit mehr als auszahlt.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
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Wie viel Aufwand lässt sich durch ein IMS wirklich sparen?
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Der genaue Betrag variiert, aber die Einsparungen sind signifikant. Sie reduzieren den Aufwand für Dokumentenpflege, Schulungen, interne Audits und externe Zertifizierungen um schätzungsweise 20-40 %, da viele Aktivitäten nur noch einmal stattfinden müssen. Der größte Hebel liegt jedoch in der Vermeidung von Doppelarbeit und der Reduzierung des administrativen Overheads.
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Ist ein IMS nur etwas fĂĽr groĂźe Konzerne?
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Nein, im Gegenteil. Gerade für mittelständische Unternehmen und Start-ups, bei denen die Ressourcen begrenzt sind, ist ein integrierter Ansatz besonders wertvoll. Er ermöglicht es, mit einem schlanken Team mehrere Compliance-Anforderungen effizient zu erfüllen und Skalierbarkeit von Anfang an mitzudenken.
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Welche Rolle spielt die High-Level Structure (HLS) konkret?
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Die HLS ist das technische Fundament, das die Integration erst ermöglicht. Sie sorgt für eine identische Struktur und Terminologie in den Kapiteln 4 bis 10 aller modernen ISO-Managementsystemnormen. Das bedeutet, dass die grundlegenden Anforderungen an Kontext der Organisation, Führung, Planung, Unterstützung, Betrieb, Bewertung der Leistung und Verbesserung immer gleich sind. Sie müssen diese Kernprozesse nur einmal definieren und dann um die spezifischen Aspekte (Qualität, Sicherheit etc.) erweitern.
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Wie kann Technologie die Implementierung eines IMS unterstĂĽtzen?
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Moderne Compliance-Plattformen wie das Digital Compliance Office von SECJUR sind für integrierte Systeme konzipiert. Sie ermöglichen es, Anforderungen verschiedener Standards zentral zu verwalten, Kontrollen zuzuordnen (Mapping), Aufgaben zu automatisieren und den Nachweis für Audits auf Knopfdruck zu erbringen. Anstatt mit unzähligen Excel-Listen zu arbeiten, managen Sie Ihr IMS auf einer einzigen, intelligenten Plattform.
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