



Volljurist und Compliance-Experte
October 30, 2025
4 Minuten
Als Jurist mit langjähriger Erfahrung als Anwalt für Datenschutz und IT-Recht kennt Niklas die Antwort auf so gut wie jede Frage im Bereich der digitalen Compliance. Er war in der Vergangenheit unter anderem für Taylor Wessing und Amazon tätig. Als Gründer und Geschäftsführer von SECJUR, lässt Niklas sein Wissen vor allem in die Produktentwicklung unserer Compliance-Automatisierungsplattform einfließen.
Risikobasiertes Denken nach ISO 9001 fördert proaktives Handeln statt formaler Bürokratie.
Erfolgreiche Unternehmen nutzen Unsicherheiten als Treiber für Verbesserung und Wachstum.
Ein einfacher 4-Schritte-Prozess macht risikobasiertes Denken praxisnah und wirksam.
Risikobasiertes Denken stärkt Stabilität und macht Qualitätsmanagement zukunftsorientiert.
Stellen Sie sich vor, Sie überqueren eine belebte Straße. Ohne bewusst darüber nachzudenken, führen Sie eine schnelle Risikoanalyse durch: Sie schauen nach links und rechts (Risiken identifizieren), schätzen die Geschwindigkeit der Autos ein (Risiken bewerten) und warten auf eine Lücke oder gehen zur Ampel (Maßnahmen ergreifen). Ihr Ziel ist es, sicher auf der anderen Seite anzukommen.
Genau das ist die Essenz des risikobasierten Denkens nach ISO 9001. Sie tun es bereits jeden Tag. Es ist keine komplizierte Wissenschaft, sondern ein intuitiver, proaktiver Ansatz, um sicherzustellen, dass Ihr Unternehmen seine Ziele erreicht, indem es Unsicherheiten managt. In diesem Leitfaden entmystifizieren wir das Konzept, zeigen Ihnen einen einfachen 4-Schritte-Prozess und geben Ihnen praktische Beispiele an die Hand.
In der ISO 9001:2015 hat das risikobasierte Denken die früheren, eher starren „Vorbeugungsmaßnahmen“ abgelöst. Der Grundgedanke ist einfach: Ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) muss die Realität des Geschäftsalltags widerspiegeln, und dieser ist voller Unsicherheiten.
Die Norm definiert ein Risiko als die „Auswirkung von Ungewissheit“. Wichtig ist dabei: Diese Auswirkung kann negativ oder positiv sein.
Das risikobasierte Denken ist also ein systematischer Ansatz, um diese Risiken und Chancen zu identifizieren, zu bewerten und Maßnahmen abzuleiten, die die Wahrscheinlichkeit positiver Ergebnisse erhöhen und die negativer Ergebnisse verringern.
Hier entsteht das größte Missverständnis. Viele Unternehmen befürchten, die ISO 9001 verlange nun die Einführung eines komplexen, formalen Risikomanagementsystems nach Standards wie ISO 31000.
Das ist nicht der Fall.
Die ISO 9001 fordert einen proaktiven Denkansatz, der in die bestehenden Prozesse integriert wird – nicht zwangsläufig eine neue Abteilung oder aufwendige bürokratische Prozesse. Der Umfang und die Formalität hängen von der Größe und Komplexität Ihres Unternehmens ab. Für viele kleine und mittlere Unternehmen ist eine einfache Liste oder eine Excel-Tabelle völlig ausreichend. Das Ziel ist ein pragmatisches Qualitätsmanagement für KMU, kein Papiertiger.
Das risikobasierte Denken ist kein isoliertes Kapitel, sondern zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Norm. Die wichtigsten ISO 9001 Kapitel, in denen es verankert ist, sind:
Um das risikobasierte Denken greifbar zu machen, können Sie sich an einem einfachen, vierstufigen Prozess orientieren. Dieser Kreislauf hilft Ihnen, systematisch vorzugehen und nichts zu übersehen.
Wo schlummern potenzielle Probleme und ungenutzte Potenziale? Schauen Sie sich folgende Bereiche an:
Nicht jede identifizierte Unsicherheit erfordert sofortiges Handeln. Sie müssen priorisieren. Eine einfache Methode ist die Risikomatrix, bei der Sie jedes Risiko und jede Chance nach zwei Kriterien bewerten:
Risiken und Chancen mit hoher Wahrscheinlichkeit und hoher Auswirkung sollten ganz oben auf Ihrer Prioritätenliste stehen.
Basierend auf Ihrer Bewertung legen Sie fest, wie Sie mit den priorisierten Risiken und Chancen umgehen. Mögliche Strategien sind:
Haben Ihre Maßnahmen den gewünschten Effekt erzielt? Überwachen Sie relevante Kennzahlen (KPIs), holen Sie Feedback ein und überprüfen Sie die Situation regelmäßig, zum Beispiel im Rahmen von Management-Reviews oder internen Audits. Der PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) schließt sich hier.
Theorie ist gut, Praxis ist besser. Sehen wir uns an, wie das risikobasierte Denken in verschiedenen Branchen aussehen kann.
Risikobasiertes Denken ist mehr als nur eine Anforderung der ISO 9001 – es ist eine unternehmerische Haltung. Es verlagert den Fokus von der reaktiven Fehlerkorrektur hin zur proaktiven Gestaltung der Zukunft. Indem Sie systematisch über Unsicherheiten nachdenken, stärken Sie nicht nur die Widerstandsfähigkeit Ihres Unternehmens, sondern entdecken auch wertvolle Wachstumschancen.
Dieser Ansatz ist nicht nur im Qualitätsmanagement entscheidend. Ein robustes Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) nach ISO 27001 basiert auf den exakt gleichen Prinzipien der Risikoanalyse und -behandlung. Die Rolle eines Informationssicherheitsbeauftragten ist es, diesen Prozess für Informationswerte zu steuern.
Beginnen Sie klein, integrieren Sie den 4-Schritte-Prozess in Ihre Routinen und machen Sie risikobasiertes Denken zu einem natürlichen Teil Ihrer Unternehmenskultur. Sie werden feststellen, dass Sie nicht nur besser auf unvorhergesehene Ereignisse vorbereitet sind, sondern auch Ihre Ziele zuverlässiger und effizienter erreichen.
Was ist der Hauptunterschied zwischen risikobasiertem Denken und Risikomanagement?
Risikobasiertes Denken ist ein proaktiver Ansatz und eine grundlegende Anforderung der ISO 9001, die in bestehende Prozesse integriert wird. Formales Risikomanagement (z.B. nach ISO 31000) ist ein umfassendes, eigenständiges Managementsystem mit festen Strukturen und Prozessen, das von der ISO 9001 nicht gefordert wird.
Benötige ich eine spezielle Software dafür?
Nein. Für die meisten Unternehmen reicht eine einfache Excel-Tabelle zur Dokumentation und Nachverfolgung von Risiken, Chancen und den dazugehörigen Maßnahmen völlig aus.
Wie dokumentiere ich Risiken und Chancen?
Eine einfache Liste oder Tabelle sollte mindestens enthalten: Beschreibung des Risikos/der Chance, Bewertung (Wahrscheinlichkeit/Auswirkung), geplante Maßnahme, Verantwortlicher und Status der Umsetzung.
Muss jedes einzelne Risiko behandelt werden?
Nein. Sie müssen nur Maßnahmen für die Risiken ergreifen, die Sie als inakzeptabel hoch bewertet haben. Es ist vollkommen legitim, Risiken mit geringer Auswirkung und Wahrscheinlichkeit bewusst zu akzeptieren.

Als Jurist mit langjähriger Erfahrung als Anwalt für Datenschutz und IT-Recht kennt Niklas die Antwort auf so gut wie jede Frage im Bereich der digitalen Compliance. Er war in der Vergangenheit unter anderem für Taylor Wessing und Amazon tätig. Als Gründer und Geschäftsführer von SECJUR, lässt Niklas sein Wissen vor allem in die Produktentwicklung unserer Compliance-Automatisierungsplattform einfließen.
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