Amin Abbaszadeh ist Informationssicherheitsexperte bei SECJUR und unterstützt Unternehmen dabei, Informationssicherheits- und Compliance-Standards wie ISO 27001 effektiv umzusetzen. Zuvor war er als Senior Consultant Cybersecurity bei NTT DATA tätig, wo er Projekte im Bereich IT-Compliance und ISMS verantwortete. Durch seine interdisziplinäre Erfahrung in Technik, Beratung und Management verbindet Amin strategisches Denken mit praxisnaher Umsetzung – immer mit dem Ziel, nachhaltige Sicherheits- und Compliance-Strukturen zu schaffen.
Key Takeaways
Stellen Sie sich vor, Ihr Unternehmen hat ein perfekt organisiertes Enterprise Content Management (ECM)-System. Alle Abteilungen – von HR bis zum Vertrieb – nutzen es täglich. Verträge, Rechnungen, Marketingmaterialien: alles an seinem Platz, versioniert und auffindbar. Und dann kommt ISO 27001. Plötzlich sehen Sie sich mit einem Berg an neuen Anforderungen für Richtlinien, Verfahrensanweisungen und Nachweise konfrontiert.
Die erste Reaktion vieler ist: „Dafür brauchen wir ein separates System. Ein ISMS-Tool, das losgelöst von allem anderen läuft.“ Doch dieser Gedanke führt oft direkt in eine Falle: die Schaffung eines Informationssilos. Die wichtigen Sicherheitsdokumente existieren dann in einer isolierten Welt, losgelöst von den täglichen Prozessen der Mitarbeiter.
Die gute Nachricht? Es geht auch anders. Ihr bestehendes ECM-System ist vielleicht schon der mächtigste Verbündete auf dem Weg zur ISO 27001-Zertifizierung. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, wie Sie die strengen Dokumentationsanforderungen der Norm direkt in Ihr ECM integrieren und so ein lebendiges, atmendes Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) schaffen.
Warum die Integration von ISMS und ECM keine Kür, sondern Pflicht ist
Die zentrale Verwaltung Ihrer gesamten Unternehmensdokumentation an einem Ort ist mehr als nur eine Frage der Ordnung. Es ist ein strategischer Vorteil, der Effizienz, Akzeptanz und Sicherheit massiv erhöht.
Eine einzige Quelle der Wahrheit (Single Source of Truth): Wenn Ihre Informationssicherheitsrichtlinie im ECM lebt, gibt es keine Zweifel, welche Version die gültige ist. Mitarbeiter finden sie dort, wo sie auch alle anderen wichtigen Dokumente suchen. Das Risiko, dass veraltete Anweisungen in Umlauf geraten, sinkt drastisch.
Gesteigerte Effizienz: Ihre Mitarbeiter kennen das ECM bereits. Sie müssen nicht auf ein neues System geschult werden. Freigabeprozesse und Wiedervorlagen lassen sich in gewohnten Workflows abbilden. Das spart Zeit und senkt die Hemmschwelle, sich mit den ISMS-Prozessen zu beschäftigen.
Gelebte Informationssicherheit: Indem Sicherheitsdokumente Teil des alltäglichen digitalen Arbeitsplatzes werden, wird Informationssicherheit vom abstrakten Konzept zur gelebten Praxis. Eine Richtlinie zur „Clean Desk Policy“ wird eher gelesen und befolgt, wenn sie mit zwei Klicks im bekannten System auffindbar ist.
Die Kernanforderungen der ISO 27001 an Dokumente – und wie Ihr ECM sie erfüllt
Die ISO 27001 ist erstaunlich flexibel, was die Wahl der Tools angeht. Die Norm schreibt nicht welches System Sie nutzen sollen, sondern nur welche Kriterien Ihre dokumentierten Informationen erfüllen müssen. Schauen wir uns die drei wichtigsten an.
1. Versionierung und Änderungsverfolgung
Die Anforderung: ISO 27001 verlangt, dass Änderungen an Dokumenten nachvollziehbar sind. Wer hat wann was geändert? Welche Version ist aktuell und freigegeben?
Die ECM-Lösung: Nahezu jedes moderne ECM-System verfügt über eine integrierte Versionskontrolle. Es geht aber um mehr als nur eine Versionsnummer. Eine gute Integration bedeutet:
Automatische Versionierung: Bei jeder Bearbeitung und Speicherung wird automatisch eine neue Version erzeugt, ohne dass der Nutzer manuell eingreifen muss.
Nachvollziehbare Änderungshistorie: Das System protokolliert exakt, welcher Benutzer zu welchem Zeitpunkt eine Änderung vorgenommen hat. Oft können sogar Versionen direkt miteinander verglichen werden.
Klarer Status: Jedes Dokument hat einen sichtbaren Status (z. B. „in Bearbeitung“, „zur Freigabe“, „gültig“), sodass jeder sofort erkennt, ob er die finale Version vor sich hat.
Eine saubere ISO 27001 Dokumentation ist die Grundlage für ein erfolgreiches Audit. Mit einer robusten Versionskontrolle für Dokumente im ECM schaffen Sie die nötige Transparenz und vermeiden die häufigsten Fehlerquellen.
2. Formale Freigabeprozesse
Die Anforderung: Wichtige Dokumente, wie die Leitlinie zur Informationssicherheit oder Notfallpläne, müssen von einer autorisierten Stelle geprüft und freigegeben werden, bevor sie in Kraft treten.
Die ECM-Lösung: Hier glänzen ECM-Systeme mit ihren Workflow-Funktionen. Statt E-Mails mit Dokumentenanhängen hin- und herzuschicken, können Sie einen digitalen, audit-sicheren Prozess abbilden:
Erstellung: Ein Mitarbeiter erstellt oder überarbeitet ein Dokument.
Prüfung: Nach dem Speichern startet automatisch ein Workflow. Das Dokument wird an den zuständigen Manager zur fachlichen Prüfung weitergeleitet.
Freigabe: Nach der Prüfung geht das Dokument zur finalen Freigabe an den Informationssicherheitsbeauftragten (ISB) oder die Geschäftsführung.
Veröffentlichung: Erst nach dieser Freigabe wird das Dokument als „gültig“ markiert und für alle relevanten Mitarbeiter sichtbar geschaltet.
Jeder dieser Schritte wird vom System mit Zeitstempel und Benutzerkennung protokolliert. Dies ist ein lückenloser Nachweis für den Auditor und stellt sicher, dass eine klare Funktionstrennung zwischen Erstellung, Prüfung und Freigabe eingehalten wird.
Dieser Ablauf zeigt klar verständlich die einzelnen Schritte vom Dokumenterstellen bis zur Gewährleistung von Informationsintegrität in einer integrierten ISMS- und ECM-Umgebung.
3. Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit
Die Anforderung: Die Norm fordert, dass Informationen verfügbar sind, wenn sie gebraucht werden (Verfügbarkeit), vor unbefugter Veränderung geschützt sind (Integrität) und nur von autorisierten Personen eingesehen werden können (Vertraulichkeit).
Die ECM-Lösung: Dies ist die Kernkompetenz von ECM-Systemen.
Verfügbarkeit: Durch die zentrale Speicherung und Indexierung sind Dokumente jederzeit auffindbar. Zugriffsrechte stellen sicher, dass zum Beispiel jeder Mitarbeiter die allgemeine Sicherheitsrichtlinie lesen kann, aber nur die IT-Abteilung Zugriff auf detaillierte Netzpläne hat.
Integrität: Die Kombination aus Versionskontrolle für Dokumente, Zugriffsberechtigungen und Audit-Logs stellt sicher, dass Dokumente nicht unbemerkt manipuliert werden können.
Vertraulichkeit: Ein feingranulares Berechtigungssystem (Role-Based Access Control, RBAC) ist in den meisten ECMs Standard. Sie können exakt definieren, welche Abteilung, Rolle oder sogar welcher einzelne Benutzer ein Dokument sehen, bearbeiten oder löschen darf.
Was tun, wenn das eigene ECM an seine Grenzen stößt?
Ein gut konfiguriertes ECM kann ein hervorragendes Werkzeug für Ihr ISMS sein. Doch was, wenn Ihr System veraltet ist, keine zuverlässigen Workflows bietet oder die Konfiguration zu aufwendig wäre?
In diesem Fall kann eine spezialisierte Compliance-Plattform die bessere Wahl sein. Solche Plattformen sind von Grund auf dafür entwickelt worden, die Anforderungen von Standards wie ISO 27001 zu erfüllen. Sie bieten vordefinierte Vorlagen, automatisierte Kontrollen und eine intuitive Benutzeroberfläche, die Sie gezielt durch den Zertifizierungsprozess führt.
Der Vorteil: Statt ein Allzweck-Tool (wie ein ECM) mühsam für einen Spezialzweck anzupassen, nutzen Sie ein Werkzeug, das genau für diese Aufgabe gebaut wurde. Dies vereinfacht nicht nur die Implementierung, sondern erleichtert auch die Vorbereitung auf das ISO 27001 Audit erheblich. Moderne Lösungen wie das Digital Compliance Office von SECJUR lassen sich zudem oft in bestehende Systeme integrieren, sodass Sie das Beste aus beiden Welten verbinden können.
Fazit: Nutzen Sie, was Sie haben – aber tun Sie es richtig
Die Integration Ihrer ISO 27001-Dokumentation in Ihr bestehendes ECM-System ist kein Kompromiss, sondern eine intelligente strategische Entscheidung. Sie vermeiden isolierte Dateninseln, fördern die Akzeptanz bei den Mitarbeitern und schaffen ein lebendiges Sicherheitssystem statt eines staubigen Ordners im Schrank.
Überprüfen Sie Ihr ECM auf die Kernfunktionen Versionierung, Workflow-Management und Berechtigungssteuerung. Wenn diese vorhanden sind, haben Sie bereits eine starke Grundlage. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, diese Werkzeuge konsequent zu nutzen, um die Prinzipien der ISO 27001 abzubilden: klare Verantwortlichkeiten, nachvollziehbare Prozesse und geschützte Informationen.
Diese Infografik verankert die wichtigsten Prinzipien der Informationssicherheit – Versionierung, Freigabe und Verfügbarkeit – als zentrale Säulen für eine erfolgreiche Integration von ISO 27001 im ECM-Kontext.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Brauche ich ein spezielles Tool nur für die ISO 27001-Dokumentation?
Nicht zwingend. Wenn Ihr vorhandenes ECM-System so konfiguriert werden kann, dass es eine sichere Versionskontrolle, nachvollziehbare Freigabeworkflows und ein detailliertes Berechtigungsmanagement unterstützt, kann es für die ISO 27001-Dokumentation ausreichen. Entscheidend ist, dass die Anforderungen der Norm erfüllt werden, nicht welches Tool Sie verwenden.
Was ist der größte Fehler bei der Verwaltung von ISMS-Dokumenten?
Der häufigste Fehler ist die Schaffung von Informationssilos. Werden die ISO-Dokumente in einer separaten, schwer zugänglichen Ordnerstruktur oder einem kaum genutzten Tool abgelegt, verlieren sie ihre Relevanz für den Arbeitsalltag. Die Integration in das zentrale ECM sorgt dafür, dass Informationssicherheit ein integraler Bestandteil der täglichen Prozesse wird.
Wie stelle ich sicher, dass meine Mitarbeiter die richtigen Dokumentenversionen verwenden?
Das ist eine der Kernstärken einer ECM-Integration. Das System ist so konfiguriert, dass es normalen Benutzern immer nur die letzte gültige und freigegebene Version eines Dokuments anzeigt. Ältere Versionen werden automatisch archiviert und sind nur für definierte Rollen (z. B. Auditoren oder den ISB) zugänglich. Das verhindert effektiv Verwirrung und die Nutzung veralteter Informationen.
Reicht Microsoft SharePoint für die ISO 27001-Dokumentation aus?
Microsoft SharePoint ist ein mächtiges Werkzeug, das über Funktionen für Versionierung, Workflows und Berechtigungsmanagement verfügt. Es kann also grundsätzlich so konfiguriert werden, dass es die Anforderungen der ISO 27001 erfüllt. Dies erfordert jedoch eine sorgfältige und fachkundige Einrichtung, um auditsicher zu sein. Für Unternehmen, die eine schnellere und einfachere Lösung suchen, kann eine auf Compliance spezialisierte Plattform wie eine zentrale ISMS-Plattform eine robustere und sofort einsatzbereite Alternative bieten.
Amin Abbaszadeh ist Informationssicherheitsexperte bei SECJUR und unterstützt Unternehmen dabei, Informationssicherheits- und Compliance-Standards wie ISO 27001 effektiv umzusetzen. Zuvor war er als Senior Consultant Cybersecurity bei NTT DATA tätig, wo er Projekte im Bereich IT-Compliance und ISMS verantwortete. Durch seine interdisziplinäre Erfahrung in Technik, Beratung und Management verbindet Amin strategisches Denken mit praxisnaher Umsetzung – immer mit dem Ziel, nachhaltige Sicherheits- und Compliance-Strukturen zu schaffen.
Über SECJUR
SECJUR steht für eine Welt, in der Unternehmen immer compliant sind, aber nie an Compliance denken müssen. Mit dem Digital Compliance Office automatisieren Unternehmen aufwändige Arbeitsschritte und erlangen Compliance-Standards wie DSGVO, ISO 27001 oder TISAX® bis zu 50% schneller.
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