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NIS2 & DSGVO: Synergien nutzen und Doppelarbeit vermeiden

NIS2 & DSGVO: Synergien nutzen und Doppelarbeit vermeiden

Niklas Hanitsch

Volljurist und Compliance-Experte

November 19, 2025

5 Minuten

Als Jurist mit langjähriger Erfahrung als Anwalt für Datenschutz und IT-Recht kennt Niklas die Antwort auf so gut wie jede Frage im Bereich der digitalen Compliance. Er war in der Vergangenheit unter anderem für Taylor Wessing und Amazon tätig. Als Gründer und Geschäftsführer von SECJUR, lässt Niklas sein Wissen vor allem in die Produktentwicklung unserer Compliance-Automatisierungsplattform einfließen.

Key Takeaways

NIS2 und DSGVO verfolgen unterschiedliche Ziele, stärken aber gemeinsam die digitale Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens.

Viele vorhandene DSGVO-Prozesse können direkt als Grundlage für die Erfüllung der NIS2-Anforderungen genutzt werden.

Ein Sicherheitsvorfall kann gleichzeitig Meldepflichten nach NIS2 und DSGVO auslösen und erfordert deshalb einen integrierten Notfallplan.

Unternehmen, die Datenschutz- und Cybersicherheitsmaßnahmen verbinden, reduzieren Doppelarbeit und schaffen eine konsistente Sicherheitsstrategie.

Stellen Sie sich vor, Sie haben viel Zeit und Mühe investiert, um Ihr Unternehmen DSGVO-konform zu machen. Die Prozesse stehen, die Mitarbeiter sind geschult. Und nun steht mit der NIS2-Richtlinie die nächste große regulatorische Anforderung vor der Tür, die sich auf Ihre IT-Sicherheit konzentriert. Der erste Gedanke vieler Unternehmer: „Nicht schon wieder alles von vorn!“

Die gute Nachricht ist: Sie müssen es nicht. Auch wenn NIS2 und DSGVO unterschiedliche Ziele verfolgen, sind sie zwei Seiten derselben Medaille – der digitalen Resilienz Ihres Unternehmens. Wer die Zusammenhänge versteht, kann seine bestehende Datenschutz-Arbeit als starkes Fundament für die neuen Cybersicherheits-Anforderungen nutzen.

Dieser Leitfaden ist Ihre strategische Anleitung, um Synergien zu schaffen, Doppelarbeit zu vermeiden und beide Regelwerke effizient zu meistern. Wir zeigen Ihnen nicht nur die Unterschiede, sondern vor allem, wie Sie Ihre bisherigen Anstrengungen intelligent für NIS2 einsetzen.

Foundation: Die Grundlagen in 5 Minuten – NIS2 vs. DSGVO

Um die Synergien zu erkennen, müssen wir zuerst die grundlegenden Ziele und Unterschiede verstehen. Die beste Analogie dafür ist die einer Burg:

Die DSGVO schützt die Juwelen (die personenbezogenen Daten) im Inneren der Burg. Sie stellt sicher, dass diese Daten rechtmäßig, fair und sicher verarbeitet werden.

NIS2 schützt die Burgmauern und das Schließsystem (die gesamte IT-Infrastruktur und die Betriebsfähigkeit kritischer Dienste). Sie sorgt dafür, dass die Burg als Ganzes widerstandsfähig gegen Angriffe von außen ist, damit die Juwelen – und alles andere – gar nicht erst in Gefahr geraten.

Diese Visualisierung nutzt die Analogie von DSGVO als Juwelenschutz und NIS2 als Burgmauerschutz, um die grundlegenden Unterschiede beider Regelwerke verständlich zu machen. So erkennen Sie auf einen Blick, worauf sich jede Regulierung konzentriert.

Ein Cyberangriff kann sowohl die Burgmauern durchbrechen (NIS2-Vorfall) als auch zum Diebstahl der Juwelen führen (DSGVO-Verletzung). Beide Regelwerke sind also untrennbar miteinander verbunden.

Die wichtigsten Unterschiede auf einen Blick

Primäres Schutzziel

  • NIS2: Schutz kritischer Infrastrukturen und Dienste sowie Sicherstellung von Cybersicherheit und Betriebskontinuität.
  • DSGVO: Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen, insbesondere des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten.

Geltungsbereich

  • NIS2: Gilt für „wesentliche“ und „wichtige“ Einrichtungen in 18 Sektoren wie Energie, Gesundheit, digitale Dienste oder Produktion.
  • DSGVO: Gilt für alle Organisationen, die personenbezogene Daten von EU-Bürgern verarbeiten – unabhängig von Branche oder Unternehmensgröße.

Fokus

  • NIS2: Betriebssicherheit und der Schutz von Netz- und Informationssystemen vor Störungen.
  • DSGVO: Datensicherheit, insbesondere Schutz personenbezogener Daten vor unbefugtem Zugriff oder Verlust.

Kernpflichten

  • NIS2: Risikomanagementmaßnahmen, Meldepflichten für erhebliche Sicherheitsvorfälle, staatliche Aufsicht und Durchsetzung.
  • DSGVO: Grundsätze der Datenverarbeitung, Rechte der Betroffenen, technische und organisatorische Maßnahmen (TOMs) sowie Meldung von Datenschutzverletzungen.

Building: Vom Datenschutz zur Cybersicherheit – So nutzen Sie Synergien

Hier liegt die größte Chance, Effizienz zu gewinnen. Viele der Prozesse und Maßnahmen, die Sie für die DSGVO etabliert haben, sind eine hervorragende Ausgangsbasis für die Anforderungen von NIS2. Sie müssen das Rad nicht neu erfinden, sondern nur erweitern.

Diese Infografik veranschaulicht, wie Unternehmen ihre bestehenden DSGVO-Maßnahmen nutzen können, um NIS2-Anforderungen effizient zu erfüllen und Doppelarbeit zu vermeiden.

1. Risikomanagement: Von der DSFA zur ganzheitlichen Risikoanalyse

Nach Artikel 35 DSGVO müssen Sie bei hohem Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) durchführen. Diese Analyse ist ein perfekter Startpunkt für das von NIS2 geforderte Risikomanagement.

  • Bestehende Maßnahme (DSGVO): Sie haben bereits Prozesse, um Risiken für personenbezogene Daten zu identifizieren und zu bewerten.
  • Erweiterung für NIS2: Erweitern Sie den Fokus dieser Analysen. Betrachten Sie nicht nur die Risiken für Daten, sondern für den gesamten Geschäftsbetrieb. Fragen Sie sich: Was passiert, wenn unsere Produktionsanlage ausfällt? Was, wenn unsere Logistiksoftware kompromittiert wird? Sie nutzen dieselbe Methodik, wenden sie aber auf einen breiteren Kontext an.

2. Sicherheitsmaßnahmen: Art. 32 DSGVO als Fundament für Ihre Informationssicherheit

Artikel 32 DSGVO fordert "geeignete technische und organisatorische Maßnahmen" (TOMs), um die Sicherheit der Datenverarbeitung zu gewährleisten. Dazu gehören Pseudonymisierung, Verschlüsselung, Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit und Belastbarkeit der Systeme.

  • Bestehende Maßnahme (DSGVO): Sie haben bereits ein Verzeichnis von TOMs und Maßnahmen wie Zugriffskontrollen, Verschlüsselungskonzepte und Backup-Strategien implementiert.
  • Erweiterung für NIS2: NIS2 fordert ein umfassendes Management der Informationssicherheit, oft in Form eines Informationssicherheits-Managementsystems (ISMS) nach ISO 27001. Ihre bestehenden TOMs sind bereits Bausteine dieses ISMS. Sie müssen diese lediglich systematisieren, um weitere NIS2-Anforderungen wie das Management von Sicherheitsvorfällen, die Sicherheit der Lieferkette und Notfallpläne zu ergänzen. Die Überschneidungen zwischen NIS2 und ISO 27001 zeigen, wie nah Sie mit einer guten DSGVO-Umsetzung bereits an den Anforderungen sind.

3. Lieferkettenmanagement: Vom AV-Vertrag zur Cyber-Due-Diligence

Im Rahmen der DSGVO schließen Sie Auftragsverarbeitungsverträge (AVV) mit Dienstleistern, die personenbezogene Daten für Sie verarbeiten. Sie prüfen dabei deren Zuverlässigkeit und die Einhaltung des Datenschutzes.

  • Bestehende Maßnahme (DSGVO): Sie haben einen etablierten Prozess zur Auswahl und Überprüfung von Dienstleistern.
  • Erweiterung für NIS2: NIS2 verlangt, die Cybersicherheitsrisiken in Ihrer gesamten Lieferkette zu bewerten. Erweitern Sie Ihre bestehenden Dienstleister-Audits um Cybersicherheitsaspekte. Fragen Sie nicht nur nach Datenschutz, sondern auch nach den Sicherheitsmaßnahmen, Notfallplänen und Zertifizierungen (z. B. ISO 27001) Ihrer Lieferanten.

Häufiger Denkfehler: Viele glauben, eine DSGVO-konforme Auswahl von Dienstleistern deckt die NIS2-Anforderungen ab. Das ist ein Irrtum. NIS2 verlangt eine aktive Bewertung der Cybersicherheitspraktiken Ihrer Lieferanten, nicht nur vertragliche Zusicherungen zum Datenschutz.

Mastery: Der integrierte Notfallplan – Ein Vorfall, zwei Meldewege

Eines der komplexesten Themen ist die Handhabung von Sicherheitsvorfällen, denn hier laufen die Meldepflichten von NIS2 und DSGVO parallel – mit unterschiedlichen Fristen und Adressaten. Ein integrierter Notfallplan (Incident Response Plan) ist daher unerlässlich.

Szenario: Ein Ransomware-Angriff verschlüsselt Ihre Server. Dabei werden auch Kundendaten exfiltriert (gestohlen).

Dieser eine Vorfall löst zwei separate Meldepflichten aus:

  1. NIS2-Meldepflicht: Da der Angriff Ihre Systeme und damit die Erbringung Ihrer Dienste erheblich beeinträchtigt, müssen Sie innerhalb von 24 Stunden eine Erstmeldung an das zuständige Computer Security Incident Response Team (CSIRT), in Deutschland voraussichtlich das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), abgeben.
  2. DSGVO-Meldepflicht: Da personenbezogene Daten abgeflossen sind und ein Risiko für die betroffenen Personen besteht, müssen Sie innerhalb von 72 Stunden eine Meldung an die zuständige Datenschutzbehörde machen.

Ein integrierter Prozess stellt sicher, dass Sie im Ernstfall nicht den Überblick verlieren. Er definiert klar, wer wann welche Informationen an welche Stelle meldet.

Dieses Flussdiagramm erklärt Schritt für Schritt, wie Sie einen Sicherheitsvorfall effizient und rechtskonform nach NIS2 und DSGVO melden – ein entscheidender Praxisleitfaden für deutsche Unternehmen.

Ein solcher Plan ist nicht nur eine regulatorische Notwendigkeit, sondern ein entscheidender Faktor für die schnelle Wiederherstellung des Betriebs und die Minimierung von Schäden. Details zur Koordination der NIS2 Meldepflicht sind entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung.

Fazit: Zwei Regelwerke, ein Ziel – Ihre digitale Souveränität

Die parallele Umsetzung von NIS2 und DSGVO mag auf den ersten Blick wie eine doppelte Belastung wirken. Doch bei genauerer Betrachtung ist sie eine Chance, eine wirklich robuste und widerstandsfähige Organisation aufzubauen.

Indem Sie Ihre bestehenden Datenschutz-Maßnahmen als Sprungbrett nutzen, sparen Sie nicht nur Zeit und Ressourcen, sondern schaffen auch eine kohärente Sicherheitsstrategie. Sie schützen nicht nur die "Juwelen", sondern verstärken auch die "Burgmauern". Das Ergebnis ist ein Unternehmen, das nicht nur compliant ist, sondern auch besser gegen die wachsenden Bedrohungen der digitalen Welt gewappnet ist. Beginnen Sie noch heute damit, die Brücken zwischen Ihrem Datenschutz- und Ihrem Cybersicherheitsteam zu bauen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu NIS2 und DSGVO

Was ist der grundlegende Unterschied zwischen NIS2 und DSGVO?

Die DSGVO schützt personenbezogene Daten von EU-Bürgern, egal wo sie verarbeitet werden. NIS2 schützt die Netz- und Informationssysteme kritischer Sektoren innerhalb der EU, um die Funktionsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft zu sichern. Kurz: DSGVO = Datenschutz, NIS2 = Cybersicherheit der Infrastruktur.

Wer ist von NIS2 betroffen?

NIS2 betrifft Unternehmen ab einer bestimmten Größe (meist ab 50 Mitarbeitern oder 10 Mio. € Umsatz) in 18 Sektoren, die als "wesentlich" oder "wichtig" eingestuft sind. Dazu gehören Energie, Verkehr, Bankwesen, Gesundheit, digitale Infrastruktur, aber auch produzierendes Gewerbe und Lebensmittelhersteller.

Muss ich beides umsetzen, wenn mein Unternehmen unter NIS2 fällt und personenbezogene Daten verarbeitet?

Ja, absolut. Die Pflichten bestehen parallel. Ein Sicherheitsvorfall kann gleichzeitig eine Meldung nach NIS2 (an das BSI) und eine Meldung nach DSGVO (an die Datenschutzbehörde) erfordern.

Kann ich NIS2 ignorieren, wenn ich bereits DSGVO-konform bin?

Nein. DSGVO-Konformität ist eine hervorragende Grundlage, aber sie deckt nicht alle Anforderungen von NIS2 ab. NIS2 verlangt spezifische Maßnahmen für die Betriebssicherheit, das Lieferketten-Risikomanagement und die Meldung von Vorfällen, die über die Anforderungen der DSGVO hinausgehen.

Was passiert, wenn ich mich nicht an die Vorgaben halte?

Sowohl bei Verstößen gegen die DSGVO als auch gegen NIS2 drohen empfindliche Bußgelder. Bei NIS2 können diese für wesentliche Einrichtungen bis zu 10 Millionen Euro oder 2 % des weltweiten Jahresumsatzes betragen. Hinzu kommen Reputationsschäden und potenzielle Haftungsrisiken für die Geschäftsleitung.

Niklas Hanitsch

Als Jurist mit langjähriger Erfahrung als Anwalt für Datenschutz und IT-Recht kennt Niklas die Antwort auf so gut wie jede Frage im Bereich der digitalen Compliance. Er war in der Vergangenheit unter anderem für Taylor Wessing und Amazon tätig. Als Gründer und Geschäftsführer von SECJUR, lässt Niklas sein Wissen vor allem in die Produktentwicklung unserer Compliance-Automatisierungsplattform einfließen.

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