NIS2 & Ladeinfrastruktur: Neue Pflichten für Betreiber
NIS2 & Ladeinfrastruktur: Neue Pflichten für Betreiber
Nandini Suresh
Informationssicherheits- und Datenschutzexpertin
December 15, 2025
5 Minuten
Nandini Suresh ist Compliance Expert bei SECJUR und spezialisiert auf Datenschutz, Cybersecurity und geistiges Eigentum. Bevor sie zu SECJUR kam, war sie unter anderem bei Bird & Bird sowie Lorenz Seidler Gossel tätig und betreute dort internationale Mandate im Marken- und Datenschutzrecht. Durch ihre Erfahrung an der Schnittstelle von Recht, Technologie und Compliance verbindet sie juristische Präzision mit einem tiefen Verständnis für die regulatorischen Anforderungen moderner Unternehmen.
Key Takeaways
Betreiber von Ladeinfrastruktur werden durch NIS2 offiziell Teil der kritischen Infrastruktur.
Vernetzte Ladesäulen sind potenzielle Cyberangriffsziele mit direkten Auswirkungen auf das Stromnetz.
NIS2 verpflichtet CPOs zu aktivem Risikomanagement, Lieferkettensicherheit und schnellen Vorfallmeldungen.
Automatisierte Compliance ist der Schlüssel, um NIS2-Anforderungen effizient und revisionssicher zu erfüllen.
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Es ist Dienstagmorgen, 08:00 Uhr. Tausende Pendler und Logistikfahrzeuge schließen ihre E-Fahrzeuge an Ladesäulen an. Doch statt zu laden, passiert etwas Unerwartetes. Eine manipulierte Software in den Ladepunkten sendet synchronisierte Signale an das Stromnetz, die eine massive Lastspitze simulieren oder tatsächlich auslösen. Das lokale Netz bricht zusammen.
Was wie ein Plot aus einem Cyber-Thriller klingt, ist das Szenario, das die Europäische Union mit der NIS2-Richtlinie verhindern will.
Für Betreiber von Ladeinfrastruktur (Charge Point Operators, CPOs) ändert sich mit NIS2 das Spielfeld grundlegend. Sie sind nicht mehr nur Anbieter einer Dienstleistung – Sie sind nun offiziell Teil der kritischen Infrastruktur Europas. Doch keine Sorge: Was auf den ersten Blick wie ein Berg aus Bürokratie wirkt, ist in Wahrheit der Schritt in eine sicherere, digital belastbare Zukunft.
Lassen Sie uns gemeinsam entpacken, was das für Ihren Betrieb bedeutet und wie Sie diese Herausforderung meistern, ohne den Stecker ziehen zu müssen.
Warum die EU jetzt auf Ihre Ladesäulen schaut
Bisher lag der Fokus der Cybersicherheit oft auf Kraftwerken oder Banken. Doch die Energiewende hat eine neue Realität geschaffen: die Sektorenkopplung. Stromnetz und Mobilität verschmelzen. Da moderne Ladesäulen hochgradig vernetzte IoT-Geräte sind, die ständig Daten austauschen (OCPP-Protokolle, Zahlungsdaten, Lastmanagement), sind sie potenzielle Einfallstore für Cyberangriffe.
Mit der Einführung von NIS2 Deutschland wird der Geltungsbereich der IT-Sicherheit massiv ausgeweitet. Ladeinfrastruktur-Betreiber fallen nun oft unter den Sektor "Energie" (Teilbereich Elektrizität). Das Ziel: Ein einheitlich hohes Sicherheitsniveau in der gesamten EU zu gewährleisten und das "schwächste Glied" in der Kette zu stärken.
Sind Sie betroffen? Der Realitätscheck
Nicht jeder Wallbox-Besitzer im privaten Carport fällt unter NIS2. Die Richtlinie zielt auf Unternehmen ab, die für das Funktionieren der Gesellschaft relevant sind. In der Regel greift NIS2, wenn Sie:
Mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen ODER
Einen Jahresumsatz von über 10 Millionen Euro erzielen.
Wichtig: Selbst wenn Sie kleiner sind, könnten Sie als "Einrichtung der wesentlichen Dienste" eingestuft werden, wenn ein Ausfall Ihrer Infrastruktur signifikante grenzüberschreitende Auswirkungen hätte.
Die technischen Hausaufgaben: Mehr als nur ein sicheres Passwort
Was verlangt der Gesetzgeber konkret? Es geht nicht darum, jede Ladesäule mit einem Burggraben zu umgeben, sondern um Risikomanagement. Artikel 21 der NIS2-Richtlinie schreibt Maßnahmen vor, die dem Stand der Technik entsprechen müssen. Für CPOs bedeutet das konkret:
1. Sicherheit der Lieferkette (Supply Chain Security)
Sie müssen wissen, welche Software auf Ihren Ladesäulen läuft. Kommen die Updates von einem vertrauenswürdigen Hersteller? Gibt es Hintertüren in den verbauten Kommunikationsmodulen? Die Sicherheit Ihrer Lieferanten ist nun Ihre Verantwortung.
2. Kryptografie und Verschlüsselung
Die Kommunikation zwischen Ladesäule, Backend und Elektroauto (Plug & Charge) muss verschlüsselt sein. Veraltete Protokolle sind ein No-Go.
3. Business Continuity Management
Wenn Sie gehackt werden: Wie schnell laufen die Säulen wieder? Haben Sie Backups? Können Sie in einen sicheren Notbetrieb wechseln, damit Kunden zumindest noch laden können, auch wenn die Abrechnung temporär ausfällt?
Hier kommt das NIS2 Umsetzungsgesetz ins Spiel, das diese Anforderungen in nationales Recht gießt und Unternehmen dazu verpflichtet, diese Maßnahmen nachweisbar zu implementieren.
Der Wettlauf gegen die Zeit: Meldepflichten
Ein zentraler Aspekt von NIS2, der vielen Geschäftsführern den Schlaf raubt, ist die Meldepflicht bei Sicherheitsvorfällen. Es reicht nicht mehr, einen Hack intern zu lösen und unter den Teppich zu kehren.
Transparenz ist das neue Gebot. Wenn es zu einem erheblichen Sicherheitsvorfall kommt (z.B. ein Ransomware-Angriff auf Ihr Backend oder ein Botnetz-Angriff auf Ihre Säulen), tickt die Uhr:
Innerhalb von 24 Stunden: Frühwarnung an die zuständige Behörde (in Deutschland das BSI).
Innerhalb von 72 Stunden: Vollständige Meldung mit Bewertung des Vorfalls.
Nach 1 Monat: Abschlussbericht.
Diese straffen Fristen sind manuell kaum einzuhalten. Wer hier erst anfängt, Excel-Listen zu durchsuchen, hat den Kampf gegen die Frist schon verloren. Eine funktionierende NIS2 Meldepflicht erfordert Prozesse, die greifen, bevor der Vorfall eskaliert.
Vom Paragraphendschungel zur automatisierten Sicherheit
Vielleicht fühlen Sie sich jetzt etwas überwältigt. Tausende Ladepunkte überwachen, Lieferanten prüfen, 24-Stunden-Meldepflichten einhalten – wie soll das gehen, ohne eine Armee von Compliance-Managern einzustellen?
Die Antwort liegt in der Technologie selbst. So wie wir das Fahren elektrifiziert und automatisiert haben, muss auch die Compliance automatisiert werden.
Eine moderne Digital Compliance Strategie setzt nicht auf Papierordner, sondern auf intelligente Plattformen. Das Digital Compliance Office (DCO) von SECJUR beispielsweise automatisiert genau diese Prozesse:
Es überwacht kontinuierlich den Status Ihrer Maßnahmen.
Es hilft, technische Nachweise (Evidenzen) automatisch zu sammeln.
Es führt Sie durch die Erstellung der notwendigen Richtlinien.
Anstatt Compliance als lästige Bremse zu sehen, wird sie so zum Qualitätsmerkmal Ihrer Ladeinfrastruktur. Kunden – insbesondere Flottenbetreiber – werden in Zukunft genau darauf achten, ob ihr Partner NIS2-konform ist.
Zusammenfassung: Ihre Roadmap zur NIS2-Compliance
NIS2 ist keine Schikane, sondern ein notwendiges Update für die Betriebssicherheit unserer Energieversorgung. Für Betreiber von Ladeinfrastruktur bedeutet dies, dass IT-Sicherheit zur Chefsache wird. Die Haftung bei Nicht-Einhaltung reicht bis in die Geschäftsführung, und die Bußgelder können bis zu 10 Millionen Euro oder 2 % des weltweiten Jahresumsatzes betragen.
Doch mit der richtigen Vorbereitung und den passenden Tools lässt sich dieser Berg erklimmen.
Bereit für den nächsten Schritt? Cybersicherheit in der E-Mobilität ist komplex, aber Sie müssen den Weg nicht allein gehen. Informieren Sie sich weiter über automatisierte Lösungen, die Ihnen den Rücken freihalten, während Sie die Mobilität der Zukunft antreiben.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Gilt NIS2 auch für reine Hardware-Hersteller von Wallboxen?
Nicht direkt als Betreiber, aber indirekt sehr stark. Da die Betreiber (CPOs) verpflichtet sind, die Sicherheit ihrer Lieferkette zu gewährleisten ("Supply Chain Security"), werden sie nur noch Hardware kaufen, die nachweislich sicher ist. Hersteller, die Cyber-Resilience-Standards erfüllen, haben hier einen massiven Wettbewerbsvorteil.
Ich betreibe Ladesäulen, bin aber eigentlich ein Autohaus oder Hotel. Bin ich betroffen?
Das hängt von der Größe und der Art des Betriebs ab. Wenn das Laden eine reine Nebentätigkeit ist und Sie unter den Schwellenwerten (50 MA / 10 Mio. € Umsatz) bleiben, fallen Sie oft nicht direkt unter NIS2. Doch Achtung: Viele Unternehmen in der Automobilbranche orientieren sich bereits an ähnlichen Standards wie Tisax for automotive SMB, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Was passiert, wenn ich einen Vorfall nicht melde?
Die Sanktionen sind drastisch verschärft worden. Neben hohen Geldbußen sieht NIS2 auch vor, dass Geschäftsführer persönlich haftbar gemacht werden können, wenn sie ihren Überwachungspflichten nicht nachkommen. Zudem droht ein Reputationsschaden, der im B2B-Geschäft oft teurer ist als jedes Bußgeld.
Wie hilft mir Automatisierung konkret?
Stellen Sie sich vor, Sie müssten manuell prüfen, ob 500 Ladesäulen das neueste Sicherheitsupdate haben. Eine Automatisierungsplattform macht dies im Hintergrund und alarmiert Sie nur bei Abweichungen. Sie spart hunderte Arbeitsstunden und stellt sicher, dass Sie im Ernstfall („Audit“) alle Nachweise auf Knopfdruck parat haben.
Nandini Suresh ist Compliance Expert bei SECJUR und spezialisiert auf Datenschutz, Cybersecurity und geistiges Eigentum. Bevor sie zu SECJUR kam, war sie unter anderem bei Bird & Bird sowie Lorenz Seidler Gossel tätig und betreute dort internationale Mandate im Marken- und Datenschutzrecht. Durch ihre Erfahrung an der Schnittstelle von Recht, Technologie und Compliance verbindet sie juristische Präzision mit einem tiefen Verständnis für die regulatorischen Anforderungen moderner Unternehmen.
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SECJUR steht für eine Welt, in der Unternehmen immer compliant sind, aber nie an Compliance denken müssen. Mit dem Digital Compliance Office automatisieren Unternehmen aufwändige Arbeitsschritte und erlangen Compliance-Standards wie DSGVO, ISO 27001 oder TISAX® bis zu 50% schneller.
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