NIS2: Leitfaden für Business Continuity und Krisenmanagement
NIS2: Leitfaden für Business Continuity und Krisenmanagement
Amin Abbaszadeh
Informationssicherheitsexperte
November 19, 2025
5 Minuten
Amin Abbaszadeh ist Informationssicherheitsexperte bei SECJUR und unterstützt Unternehmen dabei, Informationssicherheits- und Compliance-Standards wie ISO 27001 effektiv umzusetzen. Zuvor war er als Senior Consultant Cybersecurity bei NTT DATA tätig, wo er Projekte im Bereich IT-Compliance und ISMS verantwortete. Durch seine interdisziplinäre Erfahrung in Technik, Beratung und Management verbindet Amin strategisches Denken mit praxisnaher Umsetzung – immer mit dem Ziel, nachhaltige Sicherheits- und Compliance-Strukturen zu schaffen.
Key Takeaways
Business Continuity ist ein zentraler Bestandteil von NIS2 und damit keine freiwillige Maßnahme mehr.
Die Geschäftsführung trägt die direkte Verantwortung für die Planung, di Umsetzung und die Überwachung der Resilienzmaßnahmen.e
Eine Business Impact Analyse legt fest, welche Prozesse kritisch sind und welche Schutzmaßnahmen Priorität haben.
Notfallpläne entfalten nur dann ihre Wirkung, wenn sie regelmäßig realistisch getestet und kontinuierlich verbessert werden.
Stehen Sie vor der Herausforderung, Ihr Unternehmen NIS2-konform zu machen? Die Anforderungen an Business Continuity und Krisenmanagement sind komplex, die Uhr tickt und die Konsequenzen bei Nichteinhaltung sind gravierend. Viele Leitfäden bleiben an der Oberfläche, listen lediglich Anforderungen auf und lassen Sie mit der eigentlichen Umsetzung allein.
Dieser Leitfaden ist anders. Wir gehen in die Tiefe und liefern nicht nur das „Was“, sondern vor allem das „Wie“. Hier finden Sie eine praxiserprobte Roadmap, die strategische Einblicke für die Geschäftsführung mit konkreten, technischen Handlungsempfehlungen für IT- und Security-Manager verbindet. Betrachten Sie dies als Ihre zentrale Ressource, um operative Resilienz zu erreichen und die persönliche Haftung des Managements zu minimieren.
Executive Summary: Für die Geschäftsführung
In 30 Sekunden: Was NIS2 für Ihr Unternehmen bedeutet. Die Richtlinie ist kein reines IT-Thema mehr, sondern eine strategische Geschäftsaufgabe mit direkten Konsequenzen für die Führungsebene.
Reichweite: Rund 30.000 Unternehmen allein in Deutschland sind direkt betroffen.
Finanzielles Risiko: Bußgelder von bis zu 10 Millionen Euro oder 2 % des weltweiten Jahresumsatzes drohen.
Persönliche Haftung: NIS2 nimmt explizit die Geschäftsführung in die Pflicht. Sie ist persönlich für die Genehmigung und Überwachung der Cybersicherheitsmaßnahmen verantwortlich.
Der strategische Wandel ist klar: Weg von reaktiver Notfallplanung hin zu einer proaktiven, unternehmensweiten Resilienz. Dies ist keine Kostenstelle, sondern eine Investition in die Betriebsfähigkeit, das Kundenvertrauen und die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens.
Das NIS2-Mandat für Business Continuity: Artikel 21 entschlüsselt
Der Kern der Anforderungen an die operative Widerstandsfähigkeit findet sich in Artikel 21 der NIS2-Richtlinie. Dieser fordert von Unternehmen, geeignete und verhältnismäßige technische, operative und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die Risiken für ihre Netz- und Informationssysteme zu beherrschen. Für das Business Continuity Management (BCM) bedeutet das konkret die Umsetzung von drei zentralen Säulen, die sich eng am etablierten BSI-Standard 200-4 orientieren:
Backup-Management: Systematische und sichere Datensicherungen, um im Notfall eine schnelle Wiederherstellung zu gewährleisten.
Notfallwiederherstellung (Disaster Recovery): Definierte Pläne und technische Vorkehrungen, um den Betrieb kritischer Systeme nach einem schwerwiegenden Vorfall wieder aufnehmen zu können.
Krisenmanagement: Strategien und Prozesse zur Bewältigung von Krisen, einschließlich der Sicherstellung der Betriebskontinuität bei größeren Störungen.
Diese Anforderungen zwingen Unternehmen, über traditionelle IT-Sicherheit hinauszudenken und eine ganzheitliche Strategie zu entwickeln, die den Fortbestand des Geschäftsbetriebs unter allen Umständen sichert.
Ihre 10-Schritte-Roadmap zum NIS2-konformen BCM
Diese Roadmap dient als Ihr zentraler Fahrplan. Sie zerlegt den komplexen Prozess in überschaubare, logische Schritte und gibt Ihnen eine klare Struktur für Ihr internes Projekt.
Schritt 1: Management-Buy-In sichern
Der Erfolg Ihres BCM-Projekts beginnt an der Spitze. Nutzen Sie die in NIS2 verankerte persönliche Haftung der Geschäftsführung, um die notwendige Priorität und die erforderlichen Budgets zu sichern. Präsentieren Sie den Business Case nicht als reines Compliance-Thema, sondern als strategische Absicherung der Geschäftsfähigkeit.
Schritt 2: Business Impact Analyse (BIA) & Risikoanalyse durchführen
Bevor Sie Maßnahmen definieren, müssen Sie wissen, was Sie schützen.
Business Impact Analyse (BIA): Identifizieren Sie Ihre kritischen Geschäftsprozesse und die dahinterliegenden IT-Systeme. Bestimmen Sie für jeden Prozess die maximal tolerierbare Ausfallzeit (RTO - Recovery Time Objective) und den maximal tolerierbaren Datenverlust (RPO - Recovery Point Objective).
Risikoanalyse: Bewerten Sie die Bedrohungen für diese kritischen Prozesse. Berücksichtigen Sie dabei technische Risiken (z.B. Ransomware, Hardwareausfall) und organisatorische Risiken (z.B. menschliches Versagen, Lieferantenausfall).
Basierend auf der BIA und der Risikoanalyse leiten Sie Ihre Strategie ab. Entscheiden Sie, welche Schutzmechanismen für welche Systeme und Prozesse implementiert werden müssen, um Ihre RTO- und RPO-Ziele zu erreichen. Dies ist die Grundlage für Ihren Notfallplan.
Schritt 4: Technische Architektur entwerfen: Der Resilience-Stack
Hier wird es konkret. Ihre Strategie muss in eine robuste technische Architektur übersetzt werden.
Unveränderliche (Immutable) Backups: Im Zeitalter von Ransomware sind herkömmliche Backups nicht mehr ausreichend. Setzen Sie auf unveränderliche Backups, die nach der Erstellung nicht mehr verändert oder gelöscht werden können. Dies ist Ihr wirksamster Schutz gegen Verschlüsselungstrojaner.
Failover-Mechanismen: Entwickeln Sie Pläne für eine automatisierte Notfallwiederherstellung, die den Betrieb bei einem Ausfall nahtlos auf redundante Systeme (on-premise oder in der Cloud) umschaltet.
Schritt 5: Lieferkette absichern
NIS2 erweitert den Verantwortungsbereich auf Ihre gesamte Lieferkette. Es reicht nicht, Verträge mit Ihren Zulieferern zu haben. Sie müssen deren Sicherheits- und BCM-Maßnahmen aktiv überprüfen. Eine robuste NIS2-Lieferkettensicherheit erfordert regelmäßige Audits oder gemeinsame Notfallübungen mit kritischen Partnern, um Schwachstellen in der Kette aufzudecken.
Schritt 6: Krisenkommunikationsplan erstellen
Ein technischer Ausfall wird schnell zur Vertrauenskrise, wenn die Kommunikation versagt. Definieren Sie klare Prozesse, Verantwortlichkeiten und vorbereitete Sprachregelungen für die interne und externe Kommunikation im Krisenfall. Eine gut durchdachte NIS2 Krisenkommunikation ist entscheidend, um den Schaden zu begrenzen.
Schritt 7: Mitarbeiter schulen und sensibilisieren
Die beste Technik ist nutzlos, wenn die Mitarbeiter nicht wissen, wie sie sich im Notfall verhalten sollen. Führen Sie regelmäßige Schulungen und Awareness-Kampagnen durch, damit jeder seine Rolle im Krisenfall kennt.
Schritt 8: Alles testen – regelmäßig und realistisch
Ein ungeprüfter Notfallplan ist nur ein theoretisches Dokument. Führen Sie regelmäßige Tests durch, um die Wirksamkeit Ihrer Maßnahmen zu validieren.
Organisatorische Tests: Krisenstabübungen, Simulationen von Cyberangriffen.
Schritt 9: Meldepflichten beherrschen
NIS2 etabliert strenge Fristen für die Meldung von Sicherheitsvorfällen an die zuständigen Behörden (z.B. BSI). Eine Erstmeldung muss innerhalb von 24 Stunden, ein detaillierter Bericht innerhalb von 72 Stunden erfolgen. Ihre Prozesse müssen sicherstellen, dass diese Fristen eingehalten werden können.
Resilienz ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess. Implementieren Sie einen PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act), um Ihre BCM-Strategie und -Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen und an neue Bedrohungen und geschäftliche Veränderungen anzupassen. Die Prinzipien des ISO 27001 Annex A bieten hierfür einen exzellenten Rahmen.
Mehr als nur Compliance: Der Wettbewerbsvorteil proaktiver Resilienz
Die Umsetzung der NIS2-Anforderungen ist mehr als nur die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht. Eine proaktiv gelebte Resilienz-Kultur schafft handfeste Wettbewerbsvorteile, die weit über die reine Compliance hinausgehen.
Erhöhtes Kundenvertrauen: Ein nachweislich resilientes Unternehmen ist ein verlässlicherer Partner. Dies stärkt die Kundenbindung und wird zunehmend zum entscheidenden Kriterium bei der Auftragsvergabe.
Verbesserte Investorenbeziehungen: Investoren und Analysten bewerten die Fähigkeit eines Unternehmens, mit Krisen umzugehen, immer stärker. Eine robuste BCM-Strategie kann sich positiv auf die Unternehmensbewertung auswirken.
Stärkung der ESG-Position: Operative Resilienz ist ein wesentlicher Bestandteil der Governance-Säule („G“) von ESG. Ein starkes BCM-Programm signalisiert verantwortungsvolle Unternehmensführung und Risikomanagement.
Effizienzsteigerung: Der Prozess der BIA und Risikoanalyse deckt oft ineffiziente oder redundante Prozesse auf, deren Optimierung zu Kosteneinsparungen führen kann.
Ihr nächster Schritt zur NIS2-Resilienz
Die Umsetzung eines NIS2-konformen Business Continuity Managements ist eine anspruchsvolle, aber unumgängliche Aufgabe. Zögern ist keine Option, denn die Fristen rücken näher und die Risiken sind real.
Sie müssen diesen Weg jedoch nicht allein gehen. Anstatt wertvolle interne Ressourcen monatelang zu binden, können Sie auf bewährte Expertise und intelligente Automatisierung setzen. Die KI-gestützte Plattform von SECJUR führt Sie Schritt für Schritt durch den Prozess – von der Risikoanalyse bis zur kontinuierlichen Überwachung. So erreichen Sie nicht nur Compliance, sondern bauen eine nachhaltige, operative Resilienz auf, die Ihr Unternehmen für die Zukunft stärkt.
Sind Sie bereit, Klarheit zu schaffen und die operative Widerstandsfähigkeit Ihres Unternehmens auf das nächste Level zu heben? Vereinbaren Sie jetzt eine kostenlose NIS2-Potenzialanalyse mit unseren Experten.
Die häufigsten Fragen zum NIS2 Business Continuity Management
"Sind wir als KMU überhaupt von NIS2 betroffen?"
Ja, sehr wahrscheinlich. NIS2 weitet den Anwendungsbereich erheblich aus. Neben den Sektoren der kritischen Infrastruktur sind nun viele weitere Branchen betroffen, darunter die produzierende Industrie, digitale Dienste, Abfallwirtschaft und die Logistikbranche. Die Größe des Unternehmens (ab 50 Mitarbeitern oder 10 Mio. € Umsatz) ist oft das entscheidende Kriterium. Ein spezieller Leitfaden für Geschäftsführer von KMU kann hier weitere Klarheit schaffen.
"Reicht es nicht, unseren alten Disaster-Recovery-Plan zu aktualisieren?"
Nein. NIS2 verlangt einen ganzheitlichen Ansatz, der weit über die reine IT-Wiederherstellung hinausgeht. Business Continuity Management (BCM) bezieht alle kritischen Geschäftsprozesse, die Lieferkette, Personal und Kommunikation mit ein. Ein reiner IT-Notfallplan deckt diese Aspekte nicht ab.
"Was ist die größte Herausforderung bei der Umsetzung?"
Die größte Herausforderung liegt oft nicht in der Technik, sondern in der Organisation. Es erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen IT, Fachabteilungen und der Geschäftsführung. Die notwendigen Ressourcen bereitzustellen und eine Kultur der Resilienz im gesamten Unternehmen zu verankern, ist der entscheidende Erfolgsfaktor.
"Welche Rolle spielt Automatisierung bei der NIS2-konformen BCM?"
Eine zentrale. Manuelle Prozesse zur Überwachung, Dokumentation und Berichterstattung sind langsam, fehleranfällig und in einer echten Krise nicht skalierbar. Compliance-Automatisierungsplattformen wie das Digital Compliance Office von SECJUR helfen Ihnen, den Überblick zu behalten, Maßnahmen systematisch umzusetzen, Nachweise automatisiert zu sammeln und die Einhaltung der strengen Meldefristen sicherzustellen. Dies reduziert den manuellen Aufwand drastisch und macht Ihre Compliance-Prozesse effizienter und robuster, insbesondere wenn Sie auf Cloud-Anbieter und SaaS-Lösungen setzen.
Amin Abbaszadeh ist Informationssicherheitsexperte bei SECJUR und unterstützt Unternehmen dabei, Informationssicherheits- und Compliance-Standards wie ISO 27001 effektiv umzusetzen. Zuvor war er als Senior Consultant Cybersecurity bei NTT DATA tätig, wo er Projekte im Bereich IT-Compliance und ISMS verantwortete. Durch seine interdisziplinäre Erfahrung in Technik, Beratung und Management verbindet Amin strategisches Denken mit praxisnaher Umsetzung – immer mit dem Ziel, nachhaltige Sicherheits- und Compliance-Strukturen zu schaffen.
Über SECJUR
SECJUR steht für eine Welt, in der Unternehmen immer compliant sind, aber nie an Compliance denken müssen. Mit dem Digital Compliance Office automatisieren Unternehmen aufwändige Arbeitsschritte und erlangen Compliance-Standards wie DSGVO, ISO 27001 oder TISAX® bis zu 50% schneller.
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