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NIS2: Wie baut das Management eine Sicherheitskultur auf?

NIS2: Wie baut das Management eine Sicherheitskultur auf?

Nandini Suresh

Informationssicherheits- und Datenschutzexpertin

November 28, 2025

5 Minuten

Nandini Suresh ist Compliance Expert bei SECJUR und spezialisiert auf Datenschutz, Cybersecurity und geistiges Eigentum. Bevor sie zu SECJUR kam, war sie unter anderem bei Bird & Bird sowie Lorenz Seidler Gossel tätig und betreute dort internationale Mandate im Marken- und Datenschutzrecht. Durch ihre Erfahrung an der Schnittstelle von Recht, Technologie und Compliance verbindet sie juristische Präzision mit einem tiefen Verständnis für die regulatorischen Anforderungen moderner Unternehmen.

Key Takeaways

Unter NIS2 ist Sicherheitskultur eine direkte Management-Pflicht.

Führungskräfte müssen Cybersicherheit aktiv vorleben, nicht nur delegieren.

Mitarbeiterschulungen sind ein zentrales Haftungsschutz-Instrument für das Management.

Eine starke Sicherheitskultur macht Mitarbeiter zur wichtigsten Verteidigungslinie.

Stellen Sie sich vor, es ist Montagmorgen. Ein Mitarbeiter in der Buchhaltung, nennen wir ihn Herr Müller, öffnet eine E-Mail, die täuschend echt aussieht. Ein Klick auf den Anhang – und unbemerkt nistet sich eine Ransomware in Ihrem Unternehmensnetzwerk ein. Zwei Tage später sind alle Ihre Systeme verschlüsselt. Der Betrieb steht still.

Dieses Szenario ist kein Einzelfall, sondern eine der größten Bedrohungen für Unternehmen heute. Und mit der neuen NIS2-Richtlinie ist es nicht mehr nur ein IT-Problem. Es ist ein Management-Problem. Genauer gesagt: Ihr Problem. Denn NIS2 nimmt explizit die Geschäftsführung in die Pflicht – nicht nur für die technische Absicherung, sondern für die Etablierung einer umfassenden Sicherheitskultur im gesamten Unternehmen. Das Versäumnis, dies zu tun, kann direkte und persönliche Konsequenzen haben.

Doch was bedeutet das konkret? Es geht darum, Cybersicherheit aus dem Serverraum heraus und in die Köpfe aller Mitarbeiter zu bringen. In diesem Leitfaden übersetzen wir die gesetzlichen Anforderungen in eine klare, umsetzbare Strategie für Führungskräfte. Wir zeigen Ihnen, wie Sie nicht nur eine Pflicht erfüllen, sondern eine widerstandsfähige Organisation aufbauen, in der Sicherheit zur gemeinsamen Verantwortung wird.

Was NIS2 unter "Sicherheitskultur" versteht – Mehr als nur Phishing-Mails

Wenn wir von Sicherheitskultur sprechen, meinen viele eine jährliche Phishing-Simulation und ein Poster im Pausenraum. NIS2 geht jedoch weit darüber hinaus. Die Richtlinie fordert eine Kultur, in der sicheres Verhalten tief in den täglichen Abläufen und Entscheidungen jedes einzelnen Mitarbeiters verankert ist – vom Praktikanten bis zur Vorstandsebene.

Es ist die Summe der Einstellungen, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen in Bezug auf Cybersicherheit. Eine starke Sicherheitskultur bedeutet:

  • Bewusstsein: Mitarbeiter verstehen die Bedrohungen und erkennen verdächtige Aktivitäten.
  • Verantwortung: Jeder fühlt sich persönlich für die Sicherheit mitverantwortlich und handelt entsprechend.
  • Kommunikation: Es gibt klare und einfache Wege, um Sicherheitsbedenken oder Vorfälle ohne Angst vor Sanktionen zu melden.

Letztendlich verwandelt eine gelebte Sicherheitskultur Ihre Belegschaft von einem potenziellen Risiko in Ihre erste und wichtigste Verteidigungslinie. Sie ist das Fundament, auf dem alle technischen Maßnahmen erst ihre volle Wirkung entfalten können. Ein umfassender NIS2 Umsetzung Leitfaden zeigt, wie diese Kultur in die Gesamtstrategie eingebettet wird.

Diese Grafik zeigt, wie eine nachhaltige Sicherheitskultur unter NIS2 durch die Wurzeln Managementpflichten, Mitarbeiterschulung und Kommunikation entsteht. Sie macht das abstrakte Konzept greifbar als wachsenden Baum.

Die Doppelrolle des Managements – Stratege und Vorbild

Unter NIS2 kann die Geschäftsführung die Verantwortung für Cybersicherheit nicht länger einfach an die IT-Abteilung delegieren. Sie sind nun in einer Doppelrolle: als strategischer Entscheider, der die Rahmenbedingungen schafft, und als aktives Vorbild, das die Sicherheitskultur vorlebt. Diese Rolle manifestiert sich in zwei zentralen Pflichten.

Pflicht 1: Sich selbst schulen lassen

Bevor Sie eine Sicherheitskultur im Unternehmen etablieren können, müssen Sie selbst die Risiken verstehen. NIS2 verlangt explizit, dass Leitungsorgane an Schulungen teilnehmen, um Cyberrisiken ausreichend bewerten und die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen beurteilen zu können.

Das bedeutet nicht, dass Sie zum IT-Experten werden müssen. Vielmehr geht es darum, die richtigen Fragen stellen zu können:

  • Was sind die größten Cyber-Bedrohungen für unser Geschäftsmodell?
  • Wie bewerten wir die finanziellen und reputativen Risiken eines Angriffs?
  • Sind unsere Investitionen in Cybersicherheit angemessen und wirksam?

Diese Schulungen versetzen Sie in die Lage, fundierte strategische Entscheidungen zu treffen und die Cybersicherheit als festen Bestandteil der Unternehmensführung zu etablieren. Das Ignorieren dieser Pflicht ist einer der Hauptgründe für die NIS2 persönliche Haftung von Geschäftsführern.

Pflicht 2: Die Umsetzung überwachen und genehmigen

Die zweite Kernpflicht ist die aktive Überwachung und Genehmigung der Risikomanagementmaßnahmen. Das Management muss sicherstellen, dass ein wirksames Schulungsprogramm für alle Mitarbeiter aufgesetzt, finanziert und regelmäßig überprüft wird.

Ihre Aufgaben umfassen hierbei:

  1. Strategie festlegen: Definieren Sie die Ziele des Schulungsprogramms. Was sollen die Mitarbeiter nach den Schulungen wissen und können?
  2. Ressourcen bereitstellen: Sorgen Sie für ausreichend Budget und Personal, um die Schulungen effektiv umzusetzen.
  3. Erfolg messen: Etablieren Sie Kennzahlen (KPIs), um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen. Eine niedrige Klickrate bei Phishing-Tests ist ein Anfang, aber nicht das Ende.
  4. Regelmäßige Berichte einfordern: Lassen Sie sich regelmäßig über den Fortschritt und die Ergebnisse des Programms berichten, um bei Bedarf nachsteuern zu können.

Dieser Flussdiagramm veranschaulicht die operative Umsetzung der Management-Pflichten für die Sicherheitskultur nach NIS2 Schritt für Schritt – von der Selbstschulung bis zur Erfolgskontrolle.

Aufbau einer nachhaltigen Sicherheitskultur – Schritt für Schritt

Eine starke Sicherheitskultur entsteht nicht über Nacht. Sie erfordert eine durchdachte Strategie, kontinuierliche Kommunikation und das Engagement der gesamten Organisation. Hier sind die entscheidenden Bausteine:

1. Kommunikation von oben nach unten

Die wichtigste Botschaft muss von Ihnen kommen: "Cybersicherheit ist für uns als Unternehmen überlebenswichtig und betrifft uns alle." Kommunizieren Sie klar und regelmäßig über die Bedeutung des Themas – in Team-Meetings, internen Newslettern oder bei Betriebsversammlungen. Wichtig ist, dies nicht als Drohkulisse aufzubauen, sondern als gemeinsame Anstrengung zur Sicherung der Unternehmenszukunft und der Arbeitsplätze zu rahmen.

2. Praktische Schulungsinhalte für alle Mitarbeiter

Effektive NIS2 Awareness Schulungen sind praxisnah, relevant und wiederkehrend. Anstatt trockener Theorie sollten sie sich auf die "Big 5" der Cyber-Hygiene konzentrieren, die für jeden Mitarbeiter verständlich sind:

  • Phishing erkennen: Wie identifiziere ich verdächtige E-Mails, Links und Anhänge?
  • Sichere Passwörter: Wie erstelle und verwalte ich starke, einzigartige Passwörter (Stichwort: Passwort-Manager)?
  • Umgang mit Daten: Welche Informationen sind sensibel und wie teile ich sie sicher?
  • Sicheres Surfen: Worauf muss ich im Internet und in sozialen Netzwerken achten?
  • Vorfälle melden: An wen wende ich mich sofort, wenn mir etwas komisch vorkommt?

3. Messung des Erfolgs (KPIs jenseits der Klickrate)

Die Wirksamkeit Ihrer Maßnahmen muss messbar sein. Verlassen Sie sich nicht nur auf die Klickrate bei Phishing-Simulationen. Aussagekräftigere KPIs sind:

  • Meldequote: Wie viele Mitarbeiter melden proaktiv verdächtige E-Mails, anstatt sie nur zu ignorieren oder zu löschen? Eine hohe Meldequote ist ein exzellentes Zeichen für eine gelebte Sicherheitskultur.
  • Zeit bis zur Meldung: Wie schnell wird ein potenzieller Vorfall gemeldet? Jede Minute zählt.
  • Wissenszuwachs: Messen Sie das Verständnis der Mitarbeiter vor und nach Schulungsmaßnahmen durch kurze Quizze.

Diese Vergleichsinfografik hilft, typische Merkmale guter und schlechter Sicherheitskultur zu erkennen – ein Schlüssel zum Aufbau von NIS2-konformer Unternehmenskultur.

Ihre nächsten Schritte zur NIS2-konformen Sicherheitskultur

Der Aufbau einer Sicherheitskultur ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Beginnen Sie noch heute mit diesen drei Schritten:

  1. Setzen Sie das Thema auf die Agenda: Planen Sie ein dediziertes Meeting mit Ihrer Führungsebene, um die NIS2-Anforderungen und die Verantwortung des Managements zu besprechen.
  2. Führen Sie eine Bestandsaufnahme durch: Wo stehen Sie aktuell? Gibt es bereits Schulungsmaßnahmen? Wie hoch ist das Bewusstsein im Unternehmen?
  3. Erstellen Sie eine Roadmap: Definieren Sie klare Ziele, Verantwortlichkeiten und einen Zeitplan für die Umsetzung der Schulungs- und Kommunikationsmaßnahmen.

Die Anforderungen von NIS2 mögen auf den ersten Blick komplex erscheinen, aber sie bieten eine immense Chance: die Möglichkeit, Ihr Unternehmen widerstandsfähiger, sicherer und zukunftsfähiger zu machen. Automatisierte Plattformen können Ihnen dabei helfen, den Überblick zu behalten und eine reibungslose NIS2 implementation sicherzustellen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Managementverantwortung bei NIS2

Was genau bedeutet "Sicherheitskultur" im Kontext von NIS2?

Es bezeichnet die gemeinsamen Werte, Überzeugungen und Verhaltensweisen aller Mitarbeiter eines Unternehmens in Bezug auf Cybersicherheit. Es geht darum, dass sicheres Handeln zur Selbstverständlichkeit wird, anstatt eine lästige Pflicht zu sein.

Bin ich als Geschäftsführer persönlich haftbar für Versäumnisse bei der Mitarbeiterschulung?

Ja. NIS2 sieht vor, dass die Leitungsorgane für die Billigung und Überwachung der Cybersicherheitsmaßnahmen verantwortlich sind. Bei groben Verstößen können Geschäftsführer persönlich haftbar gemacht werden, was zu Bußgeldern und im Extremfall sogar zu einem vorübergehenden Verbot der Geschäftsführungstätigkeit führen kann.

Reicht eine jährliche Phishing-Simulation als Schulung aus?

Nein. Eine einmalige Maßnahme ist nicht ausreichend. NIS2 fordert einen kontinuierlichen Prozess. Schulungen sollten regelmäßig stattfinden und verschiedene Formate (z.B. Online-Kurse, Workshops, Simulationen) umfassen, um das Wissen frisch und präsent zu halten.

Kann ich das Thema nicht einfach an die IT-Abteilung delegieren?

Nein, das ist einer der häufigsten Fehler. Während die IT-Abteilung für die technische Umsetzung zuständig ist, liegt die strategische Verantwortung, die Genehmigung der Maßnahmen und die Überwachung der Wirksamkeit laut NIS2 unmissverständlich bei der Geschäftsführung. Sie müssen den Prozess aktiv steuern und verantworten.

Wie integriere ich NIS2-Schulungen, ohne "Schulungsmüdigkeit" zu erzeugen?

Machen Sie die Schulungen kurz, relevant und ansprechend. Anstatt langer Monologe sind kurze Lern-Nuggets (Micro-Learning), gamifizierte Elemente (z.B. Quizze mit Punktesystem) und praxisnahe Beispiele aus dem Arbeitsalltag der Mitarbeiter deutlich effektiver. Binden Sie die Schulungen in bestehende Onboarding- und Weiterbildungsprozesse ein, um sie als normalen Teil der beruflichen Entwicklung zu etablieren.

Nandini Suresh

Nandini Suresh ist Compliance Expert bei SECJUR und spezialisiert auf Datenschutz, Cybersecurity und geistiges Eigentum. Bevor sie zu SECJUR kam, war sie unter anderem bei Bird & Bird sowie Lorenz Seidler Gossel tätig und betreute dort internationale Mandate im Marken- und Datenschutzrecht. Durch ihre Erfahrung an der Schnittstelle von Recht, Technologie und Compliance verbindet sie juristische Präzision mit einem tiefen Verständnis für die regulatorischen Anforderungen moderner Unternehmen.

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