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EU AI Act & KMU: Wettbewerbsvorteile durch Erleichterungen

EU AI Act & KMU: Wettbewerbsvorteile durch Erleichterungen

Niklas Hanitsch

Volljurist und Compliance-Experte

December 1, 2025

5 Minuten

Als Jurist mit langjähriger Erfahrung als Anwalt für Datenschutz und IT-Recht kennt Niklas die Antwort auf so gut wie jede Frage im Bereich der digitalen Compliance. Er war in der Vergangenheit unter anderem für Taylor Wessing und Amazon tätig. Als Gründer und Geschäftsführer von SECJUR, lässt Niklas sein Wissen vor allem in die Produktentwicklung unserer Compliance-Automatisierungsplattform einfließen.

Key Takeaways

Der EU AI Act bietet KMU gezielte Erleichterungen statt nur neue Pflichten.

Regulatorische Sandboxes ermöglichen rechtssicheres Testen innovativer KI.

Die richtige Risikoklassifizierung entscheidet über Aufwand und Chancen.

Frühzeitige Compliance wird zum echten Wettbewerbsvorteil für KMU.

Steht wieder eine neue EU-Verordnung vor der Tür und Ihr erster Gedanke ist: „Nicht noch eine Vorschrift, die uns als kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) Zeit, Geld und Nerven kostet“? Verständlich. Doch beim EU AI Act lohnt sich ein zweiter Blick. Denn zwischen den Paragrafen zur Regulierung Künstlicher Intelligenz verbirgt sich eine oft übersehene Chance – ein Set an exklusiven Erleichterungen, das speziell dafür geschaffen wurde, KMU wie Ihnen nicht nur die Last zu nehmen, sondern einen echten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Dieser Leitfaden ist Ihr Kaffee mit einem wissenden Freund: Wir übersetzen das Juristendeutsch, zeigen Ihnen die verborgenen Abkürzungen und erklären, wie Sie den AI Act von einer gefühlten Belastung in ein strategisches Instrument für Ihr Wachstum verwandeln.

Der EU AI Act in 5 Minuten: Was KMU wirklich wissen müssen

Bevor wir zu Ihren Vorteilen kommen, klären wir kurz die Grundlagen. Stellen Sie sich den EU AI Act wie den TÜV für Autos vor. Nicht jedes Fahrzeug braucht die gleiche intensive Prüfung. Ein Bobbycar wird anders behandelt als ein 40-Tonner. Genau diesem Prinzip folgt auch der AI Act mit seinem risikobasierten Ansatz. Er teilt KI-Systeme in vier Kategorien ein, von denen jede unterschiedliche Pflichten mit sich bringt.

  • Inakzeptables Risiko: Systeme, die eine klare Bedrohung für Menschen darstellen (z.B. Social Scoring durch Staaten), sind verboten.
  • Hohes Risiko: KI in kritischen Bereichen wie Medizintechnik, Personalwesen oder kritischer Infrastruktur. Hier gelten die strengsten Regeln.
  • Begrenztes Risiko: Systeme, bei denen Transparenz entscheidend ist. Nutzer müssen wissen, dass sie mit einer KI interagieren (z.B. Chatbots, Deepfakes).
  • Minimales oder kein Risiko: Die große Mehrheit aller KI-Anwendungen, wie KI-gestützte Videospiele oder Spam-Filter. Hier gibt es kaum zusätzliche Pflichten.

Für Sie als KMU ist die entscheidende erste Aufgabe, zu verstehen, in welche Kategorie Ihre KI-Anwendung fällt. Denn davon hängen alle weiteren Schritte ab. Eine genaue Analyse, welche Risikoklassen der EU AI Act definiert, ist der Ausgangspunkt für jede Compliance-Strategie.

Eine anschauliche Visualisierung des risikobasierten Ansatzes des EU AI Act, die KMU hilft, die Bedeutung der Risikoklassen einfach zu verstehen.

Der entscheidende Unterschied: Warum der AI Act für KMU anders ist

Hier kommt der "Aha-Moment": Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die strengen Regeln für Hochrisiko-KI innovative Start-ups und den Mittelstand unverhältnismäßig stark belasten könnten. Deshalb wurden gezielte Erleichterungen verankert, um die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit von KMU zu schützen.

Diese Erleichterungen sind keine kleinen Fußnoten, sondern mächtige Werkzeuge:

  1. Regulatorische Sandboxes (Reallabore): Dies sind geschützte Testumgebungen. Hier können Sie innovative KI-Systeme unter realen Bedingungen erproben, ohne sofort den vollen Druck der Regulierung zu spüren. Sie erhalten dabei direkte Unterstützung und rechtliche Begleitung durch die Behörden.
  2. Vereinfachte Konformitätsbewertung: Der Prozess, um nachzuweisen, dass Ihre Hochrisiko-KI den Regeln entspricht, kann für KMU schlanker und weniger aufwendig gestaltet werden.
  3. Reduzierte Gebühren: Wenn für die Konformitätsbewertung Gebühren anfallen, sind diese für KMU deutlich geringer.
  4. Direkter Zugang zu Informationen: Die EU-Kommission und die nationalen Behörden müssen KMU gezielt informieren und leicht verständliche Leitfäden bereitstellen.

Das Ziel ist klar: Sie sollen nicht an Bürokratie scheitern, sondern die Chance haben, mit Ihren Ideen zu wachsen.

Ihr exklusiver Vorteil: So nutzen Sie Sandboxes und weitere Erleichterungen aktiv

Theorie ist gut, Praxis ist besser. Wie kommen Sie nun konkret an diese Vorteile?

Schritt 1: Den Sandbox-Vorteil nutzen

Die regulatorischen Sandboxes sind Ihre größte Chance. Anstatt im Stillen zu entwickeln und zu hoffen, dass am Ende alles konform ist, treten Sie in einen Dialog mit den Aufsichtsbehörden.

So profitieren Sie:

  • Rechtssicherheit: Sie klären frühzeitig, ob Ihr System den Anforderungen entspricht.
  • Innovationsbeschleunigung: Sie können neue Technologien schneller testen und zur Marktreife bringen.
  • Vertrauensaufbau: Ein in einer Sandbox erfolgreich getestetes System hat einen enormen Vertrauensvorschuss bei Kunden und Investoren.

Erste Schritte zur Teilnahme:Sobald der AI Act vollständig in Kraft tritt, werden die nationalen Behörden (in Deutschland voraussichtlich eine bei der Bundesnetzagentur angesiedelte Stelle) die Kriterien und Antragsverfahren für die Sandboxes veröffentlichen. Halten Sie Ausschau nach diesen Programmen und bereiten Sie eine klare Beschreibung Ihres KI-Projekts vor.

Schritt 2: Compliance-Aufwände von Anfang an reduzieren

Ein strukturiertes Vorgehen hilft Ihnen, die Anforderungen effizient zu erfüllen und Doppelarbeit zu vermeiden. Der Schlüssel liegt darin, Compliance als integrierten Teil Ihrer Entwicklung zu sehen, um am Ende ganzheitlich DSGVO und "EU AI Act"-konform zu agieren. Plattformen für Compliance-Automatisierung können hier eine entscheidende Rolle spielen, indem sie Ihnen helfen, den Überblick zu behalten und die Dokumentationspflichten systematisch zu erfüllen.

Dieser Flowchart zeigt KMU, wie sie systematisch Erleichterungen und Ausnahmen im AI Act nutzen können – von der Risikoklassifizierung bis zur Behördenschnittstelle.

Compliance als Chance: Nicht nur AI Act, sondern das große Ganze sehen

Der strukturierte Ansatz, den der AI Act erfordert, ist kein isoliertes Ereignis. Er zahlt auf eine professionelle Unternehmensführung ein, die auch in anderen Bereichen immer wichtiger wird. Ähnlich wie bei der Vorbereitung auf die NIS2 Compliance für KMU ist ein systematischer Umgang mit Risiken und Prozessen entscheidend.

Dieser Aufbau von internem Know-how stärkt Ihr Unternehmen fundamental. Die Dokumentation und die Prozesse, die Sie für den AI Act etablieren, können oft auch für andere Zertifizierungen genutzt werden. Ein gutes Beispiel ist das Qualitätsmanagement für KMU nach ISO 9001, das ebenfalls von klar definierten Prozessen und Verantwortlichkeiten profitiert. Sie bauen also nicht nur für eine Vorschrift, sondern für die Zukunftsfähigkeit Ihres gesamten Unternehmens.

KMU vs. Großunternehmen: Ihre Vorteile auf einen Blick

Um es auf den Punkt zu bringen: Der EU AI Act schafft ein Spielfeld, auf dem Sie als KMU agiler und cleverer agieren können als die großen Konzerne.

Diese Grafik schafft eine einprägsame Gegenüberstellung der Erleichterungen und zusätzlichen Pflichten unter dem EU AI Act für KMU im Vergleich zu Großunternehmen.

Ihr Weg zur AI Act-Konformität beginnt jetzt

Der EU AI Act ist mehr als nur eine neue Verordnung. Er ist eine Weichenstellung für die Zukunft der KI in Europa – und eine, die Ihnen als KMU bewusst den Weg ebnet. Anstatt in der Komplexität zu erstarren, nutzen Sie die Ihnen gebotenen Erleichterungen proaktiv. Sehen Sie die regulatorischen Sandboxes als Ihre Innovations-Spielwiese und die vereinfachten Prozesse als Ihren Effizienz-Booster.

Der erste Schritt ist, sich zu informieren und die eigene Situation zu bewerten. Beginnen Sie heute damit, den AI Act nicht als Bedrohung, sondern als das zu sehen, was er für informierte KMU sein kann: eine strategische Chance.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum AI Act für KMU

Was ist der EU AI Act überhaupt?

Der AI Act ist das weltweit erste umfassende Gesetz zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz. Sein Ziel ist es, sicherzustellen, dass KI-Systeme in der EU sicher, vertrauenswürdig und menschenzentriert sind. Er verfolgt einen risikobasierten Ansatz, bei dem die Regeln umso strenger sind, je höher das potenzielle Risiko einer KI-Anwendung ist.

Fällt meine kleine Software-Anwendung unter den AI Act?

Das hängt davon ab, ob Ihre Anwendung die Definition eines "KI-Systems" im Sinne des Gesetzes erfüllt und wie sie eingesetzt wird. Viele einfache Software-Anwendungen, auch wenn sie maschinelles Lernen nutzen (z.B. für Spam-Filter), fallen in die Kategorie des minimalen Risikos und haben daher kaum neue Pflichten.

Was sind die Risikoklassen und wie finde ich meine?

Die vier Klassen sind: inakzeptabel (verboten), hoch, begrenzt und minimal. Die Einstufung hängt vom Verwendungszweck und dem potenziellen Schaden ab. Hochrisiko-Systeme sind beispielsweise solche, die in der kritischen Infrastruktur, im Personalwesen (z.B. bei Bewerber-Screenings) oder in der Medizin eingesetzt werden. Eine genaue Prüfung ist unerlässlich.

Was ist eine regulatorische Sandbox und wie profitiere ich davon?

Eine Sandbox ist eine kontrollierte Testumgebung, die von Behörden eingerichtet wird. Als KMU können Sie dort Ihre innovative KI unter realen Bedingungen testen, ohne sofort alle regulatorischen Anforderungen erfüllen zu müssen. Sie erhalten dabei rechtliche Unterstützung und können Ihr Produkt sicher zur Marktreife entwickeln.

Muss ich als KMU jetzt einen Compliance-Experten einstellen?

Nicht zwangsläufig. Der Schlüssel liegt in einem intelligenten und strukturierten Vorgehen. Digitale Compliance-Plattformen können Ihnen dabei helfen, die Anforderungen Schritt für Schritt zu verstehen, die notwendigen Dokumente zu erstellen und den Prozess effizient zu managen, ohne teure externe Berater oder eine eigene Rechtsabteilung zu benötigen.

Niklas Hanitsch

Als Jurist mit langjähriger Erfahrung als Anwalt für Datenschutz und IT-Recht kennt Niklas die Antwort auf so gut wie jede Frage im Bereich der digitalen Compliance. Er war in der Vergangenheit unter anderem für Taylor Wessing und Amazon tätig. Als Gründer und Geschäftsführer von SECJUR, lässt Niklas sein Wissen vor allem in die Produktentwicklung unserer Compliance-Automatisierungsplattform einfließen.

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